09/12 - 12/12 AR + Chile

28. Dezember 2012 – Ein Bad in der Fischsuppe

Valparaíso – was für eine schöne Stadt! Sie liegt so um die 100 Kilometer von der Hauptstadt Santiago de Chile entfernt, die wir aber nur auf der Stadtautobahn durchfahren. In Valparaíso angekommen haben wir erst einmal Schwierigkeiten, einen Stellplatz zu finden und auch in der Touriinfo am Hafen bestätigt man uns, dass es in um die Stadt herum keinen Campingplatz gibt. Doch gleich darauf erhalten wir eine Info, die noch wertvoller ist als die Adresse eines Campingplatzes. Und so bunkern wir an einer Waschanlage noch etwas Wasser und stehen bald darauf an einem abgelegenen Platz in der Nähe des Fischmarktes der Stadt. Ein Traum! Von unserem Stellplatz aus haben wir über die Bucht hinweg einen Superblick auf den Hafen und die darüber liegende Stadt, die komplett in die Berge gebaut ist. Um uns herum Palmen, eine Metrostation ganz in der Nähe und ein Stück Grün auf dem wir an diesem Nachmittag sitzen, Wein trinken und das Leben am Strand und die Stadt beobachten. Charlie baut neben uns sein Zelt auf. Vor dem Hafen liegen große Tanker und Frachter auf Reede und warten auf einen Platz. Um uns herum kreisen Möwen und Pelikane. Was will man mehr!

Noch am selben Abend gehen wir runter an den Strand um das erste Mal in den Pazifik zu springen. Darauf hatten wir uns so lange gefreut, dass wir die Schilder überhaupt nicht mitbekommen, die ein Bad an dieser Stelle, naja, nicht gerade empfehlen. Wir  und einige andere Leute gehen ins Wasser. Grund für das Badeverbot sind natürlich Einleitungen – in diesem Fall nichts giftiges, wie wir dann herausfinden. Es sind die Reste vom Fischmarkt, die täglich hier ins Meer gespült werden – ganz schön eklig, aber eben nicht sonderlich gesundheitsgefährdend und wir haben im Wasser davon auch nichts bemerkt. Aber der Fischmarkt hat auch Vorteile! Abgesehen davon, dass er tolle Fotomotive bietet, lockt er jeden Tag etliche Tiere an den Strand. Und so tummeln sich neben den Strandgästen Pelikane und eine große Menge Seelöwen, die sich von der Anwesenheit der Menschen überhaupt nicht beeindrucken lassen. Ganz im Gegenteil. Als sich Charlie einem Bullen zu sehr nähert, um ein besonders eindrucksvolles Foto zu machen, macht er stattdessen eine besonders eindrucksvolle Erfahrung. Der Bulle ist offensichtlich der Meinung, die Grenze zu seiner Privatsphäre sei überschritten und setzt sich in Gang. Das ist mal eindrucksvoll und man denkt nicht, wie schnell Seelöwen sich bewegen können, wenn man es nicht gesehen hat. Charlie machte es ganz ähnlich und zeigte seinerseits den umstehenden Zuschauern, wie schnell er laufen kann. Der Seelöwe kannte das schon, wollte nur erschrecken und legt sich Sekunden später wieder faul zu seinen Gespielinnen.

Anschließend nehmen wir die Metro in die Stadt und fahren kurz darauf mit einem der historischen Ascensores, also den Aufzügen, die an besonders steilen Stellen den Aufstieg erleichtern. Unglaublich, wie die Häuser in Valparaiso gebaut sind! Jeder kleine Platz an den Berghängen ist ausgenutzt. Wir finden das Hotel und Restaurant „Fauna“ mit einer tollen Terrasse über den Dächern der Stadt. Wir bestellen ein Bier welches wir nicht kennen und das sich als äußerst scharf herausstellt, gewürzt mit Chili. Dazu gibt es Pisco und leckere Sandwiches. Was für ein toller Abend der noch dadurch gekrönt wird, dass wir die letzte Metro verpassen. Ein Glück, denn sonst hätten wir nicht erfahren, wie es ist, in einem der kleinen Busse zu „fahren“, die einen Großteil des Öffentlichen Nahverkehrs der Stadt bewältigen. Mit dem Bus fahren ist nicht ganz der richtige Ausdruck wenn man die Busse in Deutschland gewöhnt ist. Es ist mehr ein Ritt. Kaum eingestiegen und noch nicht bezahlt, setzt der junge Chilene seinen Bus in Bewegung, dass wir nicht wissen, wie uns geschieht. In Vertrauen darauf, dass er schon weiß, was er tut, lockeren ich nach dem ersten Schreck aber meinen verkrampften Griff und genieße diesen abenteuerlichen Ritt durch die gewundenen Straßen Valparaísos. Der Fahrer knüppelt die Gänge rein und fährt mit einer Geschwindigkeit, die unbeschreiblich ist. Dazu schallt laute chilenische Popmusik aus seiner Kabine. In Kurven denke ich oft, der Bus müsste nun eigentlich gleich kippen und zwischen uns und den anderen Fahrzeugen passt oftmals keine Schachtel Zigaretten. Wenn es noch enger wird, wird gehupt was das Zeug hält. Gehalten und Ausgestiegen wird überall auf Zuwinken oder Ansage aber es gibt auch Haltestellen. Manchmal springt dort jemand in den Bus, drückt dem Fahrer irgendetwas in die Hand, bekommt etwas, oder notiert etwas auf einen Zettel, dann springt er wieder raus. Ich frage mich, ob unser Fahrer wohl gleichzeitig einen Job als Kurier erledigt und was er wohl außer seinen Fahrgästen sonst noch befördert und verteilt. Leute, die fragen, ob sie auch für soundsoviel Pesos mitfahren dürfen, werden durch gewunken, ein Ticket gab es auf dieser Fahrt ohnehin nicht. Die Türen öffnen sich weit bevor der Bus mit einer aggressiven Bremsung zu stehen kommt, geübte Fahrgäste sind dann schon abgesprungen. So geht die Fahrt vielleicht zehn Minuten – und ist das absolute Highlight des Tages. Nach dem Aussteigen fühlen wir uns, als seien wir eben aus einer ganz neuartigen Loopingbahn gestiegen.

Am nächsten Tag machen wir eine Fotosafari in der Stadt und fahren mit weiteren öffentlichen Verkehrsmitteln. Toll sind auch die uralten historischen Elektrobusse der Stadt, die vor ewigen Zeiten einmal in der Schweiz im Einsatz waren und heute vom Chilenischen Staat als besonders wichtiges historisches Kulturgut eingestuft sind. Steigt man in einen solchen Bus, fühlt man sich tatsächlich um mindestens 50 Jahre zurückgesetzt. An dem Tag  genießen wir ansonsten noch den Sommer und feiern am Abend Abschied mit Charlie, der uns morgens endgültig verlassen wird. Seine Tour geht mit dem Rad nach Santiago, wir wollen weiter nach Norden.

Nachdem wir uns am Morgen verabschiedet haben, fahren wir in einen Stadtteil, der uns empfohlen wurde, wenn wir unseren Schrank wieder fit machen wollen. Tatsächlich finden wir eine Art „Automeile“ mit Werkstätten, Autohäusern uns Zubehörläden. Toll! Und es ist unglaublich, wie schnell und unkompliziert es hier manchmal zugeht. Zuerst stellen wir uns in eine kleine Schlange an der Straße. Zwei Fahrzeuge sind vor uns dran, dann bekommen wir in kürzester Zeit unseren überfälligen Ölwechsel. Einen Termin braucht man dafür nicht, wie entspannend. Ähnlich unkompliziert erhalten wir noch etwas Wichtigeres: Eine neue Frontscheibe. Das Modell sei unbekannt - er müsse erst in Santiago nachfragen, ob eine solche Scheibe überhaupt lieferbar sei, sagt uns der Besitzer der Werkstatt und bittet uns, in einer Stunde wieder zu kommen. Wir haben kaum Hoffnung, die Scheibe gewechselt zu bekommen und gehen ein paar Empanadas essen. Doch als wir bereits nach kurzer Zeit wiederkommen, sieht plötzlich alles anders aus. Er habe eine Scheibe für uns, freut sich der Chef und präsentiert das erhoffte Ersatzteil. Er habe die Scheib e sogar mit einem schicken Abblendstreifen. Die nehmen wir! Ob der TÜV das in Deutschland absegnen wird ist uns egal. Während seine Jungs sich an die Arbeit machen, sitzen wir mit Chef und seiner Frau beim Kaffee zusammen und müssen berichten. Wo wir herkommen, wo wir hinwollen. Na klar, seine Frau hat deutsche Wurzeln. Wir durchstöbern Geburtsurkunden, Staatsbürgerschaften und Urlaubsfotos aus Deutschland. Zwischendurch werde ich in die Werkstatt gepfiffen. Die Jungs schenken uns eine Digitaluhr mit Wecker für den Schrank und einen Toter-Winkel-Spiegel. Aber nichts Jeffe erzählen, werde ich angewiesen. Neues Öl, neue Scheibe, sogar neue Reflektorstreifen für Hinten, in Bolivien und Peru vorgeschrieben - Super! Sehr gut gelaunt verabschieden wir uns von Valparaíso, eine Stadt, in der Sina nach eigenen Angaben leben könnte.

Dann heißt es wieder fahren, fahren, fahren. Aber schön. Wir durchqueren die Anbaugebiete des Chilenischen Weins, der ja auch in Deutschland so bekannt ist, weil lecker! Ebenso lecker wie übrigens auch der Pisco, in Deutschland nicht so bekannt, in Chile Nationalgetränk und hochprozentig. Der Pisco ist mit dem Grappa vergleichbar und man trinkt ihn in etlichen Mixgetränken – am bekanntesten ist der Pisco Sour, bestehend aus eben Pisco, Limettensaft, Zuckersirup und Eiweiß. Wir fahren dorthin, wo die Trauben für den Pisco angebaut werden: ins Elqui-Tal und dort ins winzige Dörfchen Pisco Elqui mit seinen 360 Sonnentagen im Jahr. Schön ist es dort – wir testen etliche Piscovariationen und entspannen ein bisschen bevor es weitergeht in die trockenste Wüste der Welt: die Atacama. Dort befinden wir uns heute – in San Pedro de Atacama, wo wir morgen unseren Schrank auf dem Hof eines Hostels zurücklassen werden. Es geht auf eine vier-Tages-Tour nach Bolivien – Sylvester werden wir auf dem größten Salzsee der Welt verbringen dem Salar de Uyuni. Internet ist dort nicht zu erwarten – daher heute schon einmal: guten Rutsch und ein tolles neues Jahr!

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24. Dezember 2012 – heiße Weihnachtsgrüße aus der Atacamawüste!

Den heutigen, Heiligen Abend, werden wir garantiert ohne Schnee in San Pedro de Atacama verbringen. Viel sind wir gefahren in den letzen Wochen um diesen Ort zu erreichen, den wir für unser Weihnachtsfest auserkoren hatten. Und es hat sich auch gelohnt, es ist ein schönes Wüstenstädtchen, zwar touristisch völlig überlaufen, dafür aber richtig hübsch hergerichtet. Doch davon gibt es mehr in einem späteren Beitrag. Seit dem letzten Eintrag ist so viel passiert und wir sind so weit gefahren, dass es ein zu langer Text werden würde. Daher gibt es das Erlebte in kleinen Häppchen, leicht zu verdauen, in den kommenden Tagen und Wochen.

Los geht es mit unserer schweren Trennung von Patagonien – eigentlich nur Fahrerei, doch gleichfalls ein Abenteuer für sich. Früh am Morgen, gleich, nachdem ich den letzten Blog aktualisiert hatte, starteten wir gen Norden. Die ersten rund hundert Kilometer bis Tres Lagos brachten wir blitzartig hinter uns, ein leichter Rückenwind schob den Schrank und die Straße war in bestem Zustand, ganz so wie unsere Laune zu fahren, nach so langer Stehzeit. Gleich hinter dem Örtchen verwandelt sich die sagenumwobene Ruta 40 dann in ein Offroadabenteuer der feinsten Art. Argentinien ist seit Jahren dabei, die Strecke im Süden zu Asphaltieren. Doch noch macht die alte Ruta 40 über hunderte von Kilometern ihrem Namen als berüchtigte Piste alle Ehre. Heute sogar noch mehr denn je und das aus mehreren Gründen. Wegen des Baus der neuen Asphaltstraße steckt der Staat natürlich kein Geld mehr in die alte Piste. Hinzu kommt, dass die alte Piste nun von Baufahrzeugen befahren und damit zusätzlich belastet wird. Aber das wirklich Gemeine ist etwas anderes. Hunderte Kilometer durchgerüttelt zu werden, dabei kaum voran zu kommen und ein ums andere Mal zu denken, dass dem Schrank bei DIESEM Schlagloch bestimmt etwas Ernsthafteres passiert sein muss ist schon schlimm genug. Das aber die überwiegende Zeit die frische und nagelneue Ruta 40 als herrlicher, tiefschwarzer und unglaublich glatter Asphaltstreifen direkt neben der eigenen, verfluchten Piste in der Sonne glänzt, ist kaum zu ertragen. Doch die neue Strecke ist nicht freigegeben – alle paar Kilometer sind große Sandhügel aufgeschüttet, die verhindern, dass entnervte Fahrer doch die Seite wechseln.

Wohl so 50 Kilometer fahren wir so vor uns hin, als wir am Straßenrand plötzlich wildes Winken wahrnehmen. Es ist Charlie, der uns zwei Tage zuvor in El Chalten mit dem Fahrrad verlassen hatte. Immerhin hatte er ein gutes Stück geschafft und die letzte Nacht in einem Wasserdurchlass unter der neuen Straße verbracht. Ein weiteres Mal wurden er und sein Rad Gast im Schrank und dieses Mal sollten die beiden uns noch lange erhalten bleiben!

Die kommenden Tage fahren wir von morgens früh bis spät abends um endlich einen neuen Reiseabschnitt zu beginnen. Wir befahren schöne Piste und schlimme Piste, guten Asphalt und solchen, bei dem man sich wünscht, er sei lieber eine gute Piste. Wir sehen überwältigende Natur, faszinierende Weite und große Einsamkeit. Oft fährt man Ewigkeiten ohne ein anderes Fahrzeug zu Gesicht zu bekommen. Grüßen uns ansonsten eigentlich überwiegend Truckfahrer, so ist es auf der Ruta 40 etwas anders: hier grüßt jeder jeden. Man fühlt sich ein bisschen als eine verwegene Gemeinschaft, die hart genug ist, sich auf eine solche Strecke einzulassen.

Wir fahren durch Landschaften, die wieder einmal Endzeitstimmung aufkommen lassen und durch vergessene Städte und Orte, die dazu passen – besonders zu erwähnen sei hier Rio Mayo, schon die apokalyptisch anmutende Statue auf einem Sockel vor der Stadt zeugt von der Tristesse der kleinen Stadt im Nichts. Doch trotz der langen Strecken kommt keine Langeweile auf – zu dritt ist es sehr unterhaltsam im Schrank und ich stelle zufrieden fest, dass es eine gute Entscheidung war, noch in Kiel ein neues Lautsprechersystem einzubauen, es übertönt selbst heftigste Wellblechpiste. Doch um der Ruta 40 gerecht zu werden:  Der allergrößte Abschnitt der im Ganzen rund 5200 Kilometer langen Strecke, die übrigens die längste Fernstraße der Welt darstellt, ist in bestem Zustand und führt durch alle erdenklichen Klimazonen, durch tolle Landschaften und ebenso schöne Natur.

Dann passiert etwas ganz und gar nicht schönes. Auf den letzten Kilometern in Argentinien, zwischen San Carlos de Bariloche und St. Martin de Andes knallt es gewaltig. Wir sind fassungslos. Hunderte Kilometer Schotter und Steine liegen hinter uns, nichts ist passiert. Nun fahren wir seit Ewigkeiten wieder auf bestem Teer, da erwischt uns ein Steinschlag, der seinen Namen verdient. Wenn ich daran denke kann ich noch jetzt den Laster sehen, mich erinnern, dass ich noch dachte, ob ich wohl grüßen sollte oder er es tut und dann dieser weiße Stein, der auf mich zugeflogen kommt. Das ist ein Gruß, wie man ihn sich nicht erhofft. Als der Stein uns trifft, bin ich komischer Weise ganz ruhig, Sina stößt einen Schreckensschrei aus. Ich schaue auf meine Hand und sehe lauter rote Punkte. Wir halten an. Der Schaden ist immens, überall liegen Glassplitter, der Stein war groß genug, die Scheibe zu durchschlagen. Es ist nur noch die Folie vorhanden, die ich mit dem Finger durchstoßen kann. Ich bin heilfroh, dass die Splitter nur meine Hand etwas verletzten und nicht ins Auge gingen.

Noch am gleichen Tag, vier Tage nach unserer Abfahrt aus El Chalten und nach rund 1600 Kilometern haben wir unser Etappenziel erreicht. Abends stehen wir bereits wunderschön und einsam an einem See im Nationalpark Lanin, ganz in der Nähe des Städtchens St. Martin de los Andes, in einer Gegend, die auch „die Argentinische Schweiz“ genannt wird. Und so schön ist es dort auch. Der Schock mit der Scheibe ist einigermaßen überwunden, obwohl wir noch gar nicht wissen, dass wir durch den Verlust der alten Scheibe bald ein schickes Accessoire mehr am Schrank haben werden. Noch im Park werden wir nach zwei Tagen am See endgültig nach Chile ausreisen, um einige Tage später die tolle Stadt Valparaíso zu erreichen, wo wir das erste Mal im Pazifik baden können. Doch für Jetzt gibt es nur diese kleine Roadgeschichte – Valparaíso hat seinen eigenen Bericht verdient…

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9. Dezember 2012 – Mit Planlosigkeit zum Erfolg!

Ein vorweihnachtliches Hola vom Parkplatz der Nationalparkverwaltung Los Glacieres im kleinen Örtchen El Chalten.  Er ist Ausgangspunkt zu den Trails rund um den Fitz Roy, einem eindrucksvollen Berg von rund 3400 Metern Höhe.

Wir sind viel gewandert in den letzten Wochen und im Gegensatz zum Nationalpark Tierra del Fuego bei Ushuaia, waren die letzen beiden Parks körperlich echte Herausforderungen, die nicht ohne Folgen blieben. Nach dem langen Aufenthalt in Ushuaia fuhren wir endlich nach Puerto Natales, Chile. Dort angekommen war es gar nicht so einfach, eine schöne Stellmöglichkeit für unseren Schrank zu finden. Doch nach einigen Irrfahrten durch den ganz hübschen Ort stießen wir schließlich auf zwei wild winkende Gestalten am Hafen der Stadt. Kaum zu glauben, aber es winkten Antje und Ingolf. Die beiden sind mit ihrem Motorrad unterwegs und wir hatten uns schon ganz zum Anfang unserer Reise bei den Wasserfällen in Iguazu getroffen. In Puerto Natales hatten sie bereits einen Platz gefunden und so wurden wir zu einem Campground mitten in der Stadt geleitet, wo wir ein paar Tage verbrachten. Dort lernten wir auch die Holländer Ray und Jo kennen, sowie Charlie, einem Koreaner, der für einige Zeit Gast in unserem Schrank werden sollte. Seit geschlagenen fünfeinhalb Jahren reist er nun schon über den gesamten Erdball – und zwar mit dem Rad! Zweieinhalb Jahre hat er noch vor sich, dann will er über Alaska und Sibirien zurück in Südkorea sein.

Charlie erzählte uns, dass er seine Vorsätze nach seiner Fahrt durch den Iran vor Jahren etwas lockerte und nun nicht mehr zwanghaft ausschließlich mit dem Rad vorwärts kommen will. Ergibt sich die Gelegenheit, so reist er auch auf andere Arten und so nahmen wir ihn mit von Puerto Natales zum Nationalpark Torres del Paine, wo wir unseren ersten mehrtägigen Trail starteten. Meine anfängliche Sorge, unsere Rucksäcke könnten für solche Unternehmungen etwas zu groß geraten sein, verpufft recht schnell. Nach dem verpacken der Schlafsäcke, des Zeltes und der Isomatten bleibt noch gerade genug Platz für etwas Ersatzkleidung, Lebensmittel und noch so einige Dinge, die wir meinen zu brauchen. Abends gegen fünf, also schon recht spät und nach einer anstrengenden Fahrt über Schotterpisten, lassen wir den Schrank an einer Rangerstation zurück und brechen auf. Auch Charlie ist dabei und obwohl zu dritt, haben wir Glück und werden beim Trampen bis zum Eingang des Parks mitgenommen.

Was dann folgt, mag für einigermaßen geübte Wanderer nichts besonderes sein – für uns ist es die anstrengendste Strecke, die wir in den letzten Jahren gelaufen sind. Der Trail zum ersten freien Campingplatz ist rund vier Stunden lang und geht mehr oder weniger die gesamte Zeit Bergauf. Für Charlie mit seinen trainierten Beinen natürlich kein Problem. Wir machen anfangs den Fehler, mithalten zu wollen und kommen schnell an unsere Grenzen. Fast kann man von Glück sprechen, dass Charlie plötzlich bemerkt, sein GPS neben dem Schrank liegengelassen zu haben. Übrigens nicht der einzige vorübergehende Verlust in diesem Park. Also macht er sich wieder an den Abstieg und wir finden unser eigenes Tempo. Doch die ersten Kilometer haben mächtig geschlaucht und die letzten Kilometer laufen wir wie in Trance. Im letzten Tageslicht erreichen wir schließlich den Campground. Die Ranger lachen und meinen, sie hätten schon Feierabend, wir müssten leider zurück laufen, eine Anmeldung zum Campen sei erst am kommenden Tag möglich. Ein äußerst lustiger Scherz, wie wir finden und ich versuche auch ein wenig zu grinsen, während ich mich eigentlich darauf konzentriere, die Krämpfe in den Muskelsträngen links und rechts der Wirbelsäule zu unterdrücken. Wir tragen uns ein, bauen schnell unser schönes Zelt auf, essen eine Kleinigkeit und fallen dann auf unsere Isomatten. Endlich schlafen! Doch dieses Mal krampft es bei Sina. Und nicht nur in einem Muskel. Ihre Beine verkrampfen derart, dass Sina mit den Armen aus dem Zelt robben muss und erst unter schmerzhaften hin- und herlaufen die Muskeln lockern kann. Jedes Mal, wenn sie versucht einen Krampf mit einer Gegenbewegung zu lösen, verkrampft auch der Muskel, der dazu nötig ist, bis schließlich alle Muskeln betroffen sind und sogar solche in der Kniekehle zu krampfen beginnen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen und massiere, so gut ich kann, doch die Krämpfe kommen noch häufiger in dieser Nacht, an Schlaf ist erst ab drei Uhr zu denken. Alles in allem eine Wanderung, die es in sich hatte. Doch um keine unbegründeten Sorgen aufkommen zu lassen: Es war im Nachhinein betrachtet trotz allem ein ganz toller Tag mit wahnsinnig schönen Augenblicken in ebenso schöner Natur. Was es zu den Problemen zu sagen gibt ist, das wir für die nächsten Male gelernt haben und das, nachdem die Tortouren überstanden sind, das tolle Gefühl bleibt, an seine eigenen Grenzen gestoßen zu sein.

Nach dieser Nacht schlafen wir etwas länger, packen dann und machen wir uns an den kurzen Aufstieg zu den Torres. Der hat es aber in sich: noch einmal geht es vier Kilometer steil bergauf. So etwas läuft man nicht voll bepackt. Wissen wir aber nicht – und laufen los. Doch meine unbekümmerte Schusseligkeit hilft uns auf wunderbare Weise, diesen Fehler zu korrigieren. Zwanzig Minuten keuchen und ächzen vergehen, als ich Sina mit verkrampftem Blick ansehe. Dieses Mal allerdings nicht aufgrund einer Muskelfehlfunktion, sondern wegen eines Gedankens. Eigentlich sind es zwei Gedanken. Der erste lautet: Ach, welch schöner Ausblick – so wollen wir ein Foto machen. Der zweite: Wo, um Gottes Willen, befindet sich die dafür notwendige Kamera? Ich muss nicht lange überlegen, sie hängt noch am Baum am Campground, eben da, wo ich sie zurückließ, als ich den Rucksack aufschnallte. Das hoffen wir jedenfalls. Ich bleibe beim Gepäck, Sina läuft los. Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrt sie zurück und hat schlechte Nachrichten: Meine Nikon ist weg und auch der Ranger, der an diesem Morgen seinen Dienst auf dem Platz versehen soll. Verzweifelt kraxeln wir wieder zurück zum Platz. Doch welch Glück: dieses Mal ist der Ranger wieder da und winkt uns schon mit meiner Kamera entgegen. Er hatte sie an sich genommen und wollte uns einholen, um sie uns zurück zu geben. Was war schief gelaufen? Da sich der Ranger nicht vorstellen konnte, dass jemand mit vollem Gepäck zu den Torres aufsteigt, lief er folgerichtig in Richtung Tal, wo er uns nicht finden konnte. Ein solch wertvolles Stück zurück zu bekommen, ist besser, als wenn man es frisch gekauft hat. Mit dieser Erkenntnis und jener, das man bei schwierigen Abschnitten sein Gepäck am Campground lassen kann, haben wir eine sehr unbeschwerte und glückliche Zeit als wir anschließend die Türme besuchen – davon können die Bilder berichten!

Die nächsten Tage halten noch einige Kräftezehrende Auf- und Abstiege für uns bereit, die wir, durch die erste harte Erfahrung geschult, recht gut meistern. Wir sind schon überrascht, wie schnell die Kondition zunimmt, wenn sie muss. Die Eindrücke und Erlebnisse in der von der UNESCO als Biosphärenreservat ausgezeichneten patagonischen Landschaft sind unvergesslich. Wir finden Wege, auf denen wir stundenlang für uns alleine Wandern, was nicht selbstverständlich ist in diesem Park, der einer der größten Tourismusziele Südamerikas darstellt. Wir laufen vorbei an riesigen Gletscherseen und an Bergbächen, die sämtlich herrlich kaltes Trinkwasser führen. Das Ganze bei außergewöhnlich schönem Wetter – T-Shirt und kurze Hosen lassen Sommergefühle aufkommen. Nach vier Tagen und der Fahrt mit einem Katamaran über einen der Seen sind wir zurück am Schrank.
Nachdem das Gepäck und Charlie verstaut sind, geht es weiter – wieder einmal über die Grenze, wieder einmal nach Argentinien. Unsere Pässe sind nun bald voll – dabei haben wir erst zwei Länder gesehen. Doch dieser Grenzübergang ist besonders und wird uns unvergessen bleiben. Noch mehr jedoch unserem Freund Charlie, der seinen Pass nicht finden kann. Alles kann auf einer solchen Reise verloren gehen, doch ein abhanden gekommener Reisepass stellt wohl den worst case dar. Für Charlie muss es der blanke Horror gewesen sein, zumal der winzige Grenzübergang wortwörtlich im Nichts liegt. Wir wollen uns nicht vorstellen, wie er mit dem Fahrrad die zig Kilometer lange Schotterpiste zurück fährt um irgendwie zur nächsten Stadt und dann nach Santiago de Chile zu gelangen, zur Botschaft von Korea. Nach einer halben Ewigkeit des Suchens findet er den Pass dann wieder – ganz unschuldig liegt er einfach am Boden des Schrankes, aus dem Rucksack gefallen. Er ist so glücklich, dass er uns spontan zum Essen einlädt.

Zwei Tage später, in El Calafate löst er sein Versprechen ein. Am Abend gibt es Parilla libre, das bedeutet Fleisch jeglicher Art und all you can eat. Die Lämmer hängen schon im ganzen über dem Feuer, auf dem Grill liegen Stücke vom Rind, Geflügel und Schwein - dazu gibt es ein bisschen Salat. Außerdem irgendwelche Innereien, bei denen man besser nicht weiß, um was es sich handelt. Ein deutscher Schlachter soll beim Anblick der Fleischplatten mal gesagt haben: „Die Hälfte davon nimmt bei uns der Abdecker mit“. Dabei ist das Ganze unvorstellbar lecker!
Zwei Tage bleiben wir in dem Touristenort und nutzen die Zeit zum Wäsche waschen und zur Erholung, dann fahren wir dorthin, wo wir uns heute befinden: Nach El Chalten. Auch hier haben wir einen herrlichen Trail hinter uns gebracht, mit einer Übernachtung in eisiger Kälte im Zelt am Gletscher nahe des Fitz Roy.

Halb sieben Uhr morgens – wir stehen vor einem Cafe auf der Straße und „klauen“ Internet. Selbiges ist hier im ganzen Bergörtchen so schlecht, dass es nur jetzt am Morgen möglich war, Dateien hochzuladen, weil noch niemand anderes das Netz nutzt – der Ort ist wie ausgestorben. Gleich soll es endlich weiter gehen – ein Sturm von bis zu 80 km/h hielt uns bis gestern gefangen, eigentlich hatten wir unsere Abreise bereits vor drei Tagen geplant. Überhaupt wirkt Patagonien wie ein Magnet, es ist schwer sich zu trennen, doch morgen soll es geschehen. Einige Tage wollen wir nur noch fahren. Wenn wir dann aussteigen, werden sich Klima, Natur und Menschen verändert haben – immer noch eine der faszinierendsten Erfahrungen einer solchen Reise. Es geht über die Ruta 40 hinauf nach Perito Moreno, wo wir Argentinien endgültig Chao sagen wollen. In Chile fahren wir die Ruta Austral um schließlich auf die Ruta 5 zu gelangen, eine Autobahn, die uns schnell nach Norden Richtung Santiago bringen soll. Der Pazifik wird kommen und der Sommer! Wir haben eine Erkältung und mir schmerzen die Knochen. Ach, und wir sind ganz schön glücklich!

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20. November 2012 – Ein bisschen Alltag zwischendurch…

Ups – so schnell sind dreieinhalb Wochen vergangen. Das so lange nichts im Blog geschehen ist, hat einen einfachen Grund: es ist nicht allzu viel passiert, denn wir haben uns ein wenig dem Alltag hingegeben. Ushuaia ist eine Stadt mit vielen sehenswerten Orten Drumherum, daher beschlossen wir zu verweilen und unsere bisherigen Erlebnisse etwas sacken zu lassen. Unseren ursprünglichen Plan, Weihnachten im hiesigen Nationalpark Tierra del Fuego zu feiern, haben wir allerdings aufgegeben. Zu sehr kribbelt es uns im Bauch, wir wollen endlich wieder Reisen. Schade ist es, da sich zu Weihnachten ein inoffizielles Treffen im Park etabliert hat. Jedes Jahr kommen dort Reisende mit ihren Womos und 4x4-Fahrzeugen zusammen um gemeinsam ein bisschen zu feiern. Auch Biker sind dabei. Das ist natürlich ein guter Zeitpunkt um Gleichgesinnte kennen zu lernen und vielleicht ein Stück miteinander zu reisen. Doch einen ganzen Monat wollen wir nicht mehr warten und so geht es morgen Richtung Puerto Natales in Chile und zum Nationalpark Torres del Paine, in dem wir einige Tage mit Rucksack und Zelt unterwegs sein wollen.

Wie es uns inzwischen ergangen ist? Nach unserer Ankunft dauerte es etwas, bis wir uns akklimatisiert hatten. Wie schon berichtet, erreichten wir die Stadt in tiefem Schneegestöber, doch auf die Beständigkeit des Wetters sollte man hier keinen gesonderten Wert legen. Davon hatten wir zwar schon gehört und gelesen, doch die Wetterkapriolen live mitzuerleben ist schon etwas anderes. Die passende Kleidung für einen kompletten Tag zu finden, gestaltet sich schwierig. Kann es in der einen Stunde noch schneien, scheint in der nächsten schon die Sonne und die weiße Pracht ist verschwunden. Da die Sonne sehr kräftig ist, sind die Temperaturschwankungen entsprechend hoch – oft bei über 10 Grad. Dazu kommt ein Wind, der entweder nicht oder sehr stark und nur manchmal mäßig weht. Doch schließlich befinden wir uns nur rund 1000 Kilometer von der Antarktis entfernt, da sollte man sich darüber nicht wundern.

Einen Sprachkurs haben wir absolviert – zwei Wochen Spanisch. Tatsächlich können wir uns so langsam richtig ein bisschen unterhalten. Sina ein wenig besser als ich, denn ich habe mir eine Art Spenglisch angewöhnt und mixe gern beide Sprachen oder verfalle gleich ins Englische – was hier kein Problem darstellt. Ich hoffe auf die kommenden Länder, die mich zwingen werden, meine Faulheit, eine neue Sprache anzuwenden, zu überwinden. Neben der Sprache hat uns der Kurs allerdings noch einiges mehr beschert – zum Beispiel neue Bekannte und Freunde aus Ushuaia, allen voran unsere Lehrerin,  in deren Haus wir in den letzten Tage zu Gast waren. Mit Ana hatten wir eine Menge Spaß und wir werden sie sehr vermissen.

Ein Hostel haben wir besucht – und auch gleich eine Woche dort gewohnt. Anfangs noch sehr luxuriös im Zweibettzimmer mit Bad, zogen wir schnell in einen Dorm, also in ein Mehrbettzimmer mit täglich wechselnden Mitschläfern. Auch ganz spannend, mal in die Backpackerszene einzutauchen. Viele nette Leute haben wir kennen gelernt und ein wirklich tolles, neues Kartenspiel mit Namen „Jussuf“. Beim allabendlichen gemeinsamen Kochen kam in uns der Gedanke auf, vielleicht noch einige Zeit unserer Reise auf diese Art und Weise zu verbringen, doch das wird sich viel später noch entscheiden.

Im Nationalpark Tierra del Fuego sind wir gewandert – und hätten uns beinahe aufs feinste vergiftet. Mehrmals waren wir im Park, denn dort kann man auch wunderbar campen, in schönster Natur. Einige Male hatten wir das Glück, ganz allein zu sein mit den Schneebedeckten Bergen, den rauschenden Bächen, den Bergseen und Wäldern. Es hatte etwas von Alpenfrische. Einige Trails haben wir dort absolviert, davon erzählen am besten die Fotos. Die letzte Tour führte uns entlang der Küste der Lapatia Bay, einem Ausläufer des Beagel-Kanals. Wir sind begeistert, wegen der Natur und der Landschaft sowieso, aber auch, weil wir an den Stränden unzählige Miesmuschen entdecken. Lecker! Schnell knoten wir meine Regenjacke zu einer Tragetasche und beginnen zu sammeln. Muscheln sammeln in einem Nationalpark? Um es gleich vorweg zu nehmen, in diesem Park ist das Fischen in bestimten Arealen erlaubt. Die leckersten Gerichte malen wir uns aus und einigen uns schließlich auf Pasta mit Muschelfleisch und Pesto. Einige Strände weiter treffen wir auf eine französische Reisegruppe. Nichts Außergewöhnliches und normalerweise weichen wir derartigen Menschenansammlungen, jedenfalls in freier Natur, aus. Doch in diesem Fall erwiesen sich die Franzosen als ziemlich hilfreich. Wir können nicht wiederstehen und sammeln noch einige Muscheln, als ein älterer Herr sich aus der Gruppe löst und zu uns kommt. Er spricht nur französisch und ein wenig Spanisch, doch nach einiger Zeit haben wir verstanden. Die Muscheln sind zurzeit mit einer Alge belastet, die nach dem Verzehr zu Muskellähmungen führen kann die in Extremfällen tatsächlich lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Und wir hatten uns vor Schlangen und Bären gefürchtet! So landet der Fang, glücklicher Weise, wieder im Meer und bei uns gab es Pasta mit Pesto ohne Muschelfleisch, war auch lecker!

Zu einem Gletscher sind wir aufgestiegen, nur um zu bemerken, dass vom Gletscher nur noch der Name übrig ist, dafür gab es dort einen tollen Blick über den Beagelkanal. Unsere Kreditkarte ist angekommen! Wir waren im südlichsten Postamt der Welt und haben zwei Karten verschickt. Nachdem wir Argentinien nun bald verlassen werden, wissen wir endlich, wie man hier an Gas für unsere Unterflurflasche kommt - Danke Ana! Wir haben uns sehr wohl gefühlt in Ushuaia und fühlen uns fast ein bisschen zu Hause.

Heute erledigen wir die letzten Vorbereitungen für unsere Weiterreise morgen früh. Wir freuen uns riesig auf die kommende Zeit. Es ist, nach diesem kleinen Ausflug in den Alltag, wie ein Neubeginn der Reise – zumal wir nun nur noch Richtung Norden fahren. Bald wird es wärmer werden, wir werden den Pazifik sehen und die Ruta 40, eine der legendärsten Straßen der Welt, wartet auf uns. Nicht mehr lange und wir werden die ersten Kilometer auf der Panamerikana fahren.

Soviel zu unserem Leben der letzten 20 Tagen, welches sich von denen der daheimgebliebenen vielleicht gar nicht so sehr unterscheidet. Ein gutes Beispiel in diesem Sinne ist hier vielleicht noch einmal der heutige Abend an dem wir zum Abschied für Ana und uns ein typisch deutsches Alltagsessen zubereiten. Nach dem Geschnätzelten gestern wird es heute Senfeier geben – mal schauen, wie die ankommen.

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30. Oktober 2012 – Grenzerfahrungen der anderen Art

Uns ist nichts passiert, in der Nacht im Nichts am Rande des Nationalparks Bosques Pertificados, kein Angriff wilder Tiere und auch ansonsten konnten wir wunderbar schlafen. Und so ging es am kommenden Morgen in den Park der versteinerten Wälder. Der uralte Wald wurde vor rund 150 Millionen Jahren nach mehreren Vulkanausbüchen komplett von Asche bedeckt, in der sich die Stämme der Bäume langsam zu Stein verwandelten. Auch Äste, Früchte und Samen wurden so konserviert. Das faszinierende ist, dass die mächtigen Stämme nicht nur in der Form erhalten blieben. Auch die Farben und sogar der Klang erinnern an lebendiges Holz, nur eben kalt ist wie Stein. Schön war es in dem Park, doch hätten wir uns etwas mehr Bewegungsfreiheit gewünscht. Beinahe tauchen wir an der Rangerstation mit komplettem Trekkingequipment auf - mit Wasser und Nahrung für den ganzen Tag. Glücklicher Weise fragen wir vorher nach und erhalten die Antwort, dass der Trail nur rund eine Stunde dauern wird. Dennoch: trotz der 70 Kilometer Anreise von der Ruta 3 über eine Schotterpiste, ist die bizarre Landschaft mit ihren farbigen Gebirgen und Steinen und natürlich die Bäume selbst ein tolles Erlebnis und ein gelungener Start in einen Reisetag.

Dieser Tag auf der Ruta 3 wird uns nach Puerto San Julian führen. Die schöne Kleinstadt beherbergt heute rund 6000 Einwohner und hat eine ziemlich bewegte Vergangenheit. Zu Zeiten der Segelschiffe war Puerto San Julian ein regulärer Ankerplatz, meist für Schiffe, die das legändere Cap Horn umfahren wollten. Einer der prominentesten Besucher legte 1520 an. Der spanische Entdecker und Seefahrer Ferdinand Magellan ankerte im Rahmen seiner Weltumseglung im Hafen, um dort zu überwintern. Wir hatten nicht das Gefühl, doch den damaligen Entdeckern kamen die amerikanischen Einheimischen unglaublich groß vor, vor allem wohl die Füße. Denn nach ihnen benannte Magellan die Südamerikaner- fortan sollten sie Patagones heißen und ihr Land Patagonien, was so viel heißt wie Land der Großfüßler. Magellan zu Ehren erinnert noch heute ein Nachbau seines berühmten Schiffes „La Nao Victoria“ daran. Später statteten unter anderem auch noch der Seefahrer Francis Drake und der Forscher Charles Darwin Puerto San Julian einen Besuch ab.

Einige Tage später starten wir, etwas früher als geplant, Richtung Feuerland. Einige Nationalparks haben noch geschlossen, erst ab November beginnt die Saison. Zudem lockt das sagenumwobene Feuerland sehr und wir können es kaum erwarten, dort zu sein. So finden wir uns schon nach einigen Tagen an unserer ersten Landesgrenze wieder. Die argentinische Provinz Tierra del Fuego ist vom übrigen Argentinien abgeschnitten. Um dorthin zu gelangen, muss der gewillte Reisende dem schönen Staat Chile einen Besuch abstatten. Selbstverständlich mit allen nötigen Grenzformalitäten, bei der Ein- und Ausreise – ein Abenteuer für sich, wie wir noch bemerken sollten.

Von Argentinien nach Chile geht es ohne Probleme. Wenn auch mit großen Zeitaufwand und unter schmerzlichem Verlust unserer frischen Vorräte, reisen wir in Chile ein. Ein Mitführen von frischen Lebensmitteln ist streng verboten – das hätten wir uns wohl auch selbst denken können. Einige Kilometer weiter setzen wir bei Punta Delgada mit der Fähre über die Magellanstraße. Eine schöne Abwechlung und sehr entspannend, bevor es bald darauf richtig hart werden sollte. Chile scheint nicht sonderlich interessiert daran, Reisende durch das eigene Land nach Argentinien zu schleusen. Bereits einige Kilometer nach der Fähre verwandelt sich die Asphaltstraße in eine Schotterpiste übelster Sorte. Wellblechabschnitte, Schlaglöcher und große Steine auf der „Fahrbahn“ lassen unserer Reisegeschwindigkeit auf höchstens 30 km/h sinken. Einige Busse und Sattelschlepper quälen sich ebenfalls über den Weg, manche fahren so langsam, dass man daneben joggen könnte. Rund 110 Kilometer werden wir auf dieser „Straße“ hinter uns bringen – bisher die längste Herausforderung dieser Art. Links und rechts zieren unzählige Reifenleichen die Gräben. Wir üben uns in Gelassenheit, was inzwischen ziemlich gut klappt. Es wird sich aufgeteilt, jeder darf den Schrank 25 Kilometer fahren, dann wird gewechselt. Das ist auch deshalb nötig, weil es echte Konzentration kostet, über derartige Straßen zu fahren. Man nutzt die gesamte Breite der Straße und fährt einen Zickzack-Kurs, um den schlimmsten Löchern und Buckeln zu entgehen. Derjenige, der nicht fahren muss, hat derweil Freizeit. Durchaus nicht nur auf dem Beifahrersitz -  Brote schmieren, Kaffee kochen und selbst abwaschen, Fegen, schlafen oder Lesen im Wohnbereich, inzwischen kein Problem mehr. Auf diese Art sind auch hunderte Kilometer bei niedrigsten Geschwindigkeiten gut zu ertragen. Wenn wir bald auf der Ruta 40 unterwegs sein werden – dann wieder gen Norden, werden uns derartige Straßen tausende Kilometer bevorstehen. Ungeteerte Fernstraße nennt sich das, der Begriff muss wohl aus dem Mittelalter stammen.

Nach einigen Stunden haben wir es dann geschafft und erreichen die nächste Grenze. Dieses Mal genau umgekehrt: von Chile nach Argentinien. Kein Problem – wir konnten ja am Morgen üben, wie wir uns zu verhalten haben. Das lief folgendermaßen: Auf argentinischer Seite ein Posten der Gendarmerie, verwaist und einsam lag er da. Als pflichtbewusste Reisende hielten wir dennoch und fragten, ob wir denn keinen Ausreisestempel benötigten. Nein, so die Antwort, diesen gebe es erst auf der chilenischer Seite. Und tatsächlich, bereits einige Kilometer auf chilenischem Staatsgebiet befindet sich der eigentliche Grenzposten. Argentinische und chilenische Grenzbeamte saßen dort versammelt und schleusten uns von einem ins andere Land, ganz einfach. Als Europäer nicht übermäßig an Grenzen gewöhnt, nahmen wir beim nächsten Grenzübertritt die gleiche Prozedur an – und wurden so zu illegalen Auswanderen, wenigstens für eine kurze Zeit.

In Vertrauen auf unsere noch recht übersichtlichen Grenzerfahrungen, ignorieren wir dieses Mal also den Posten der Gendarmerie und rumpeln gleich weiter auf argentinisches Staatsgebiet, in freudiger Erwartung auf ein großes Grenzhaus, in dem wir alle Formalitäten erledigen können. Gute 10 Kilometer weiter ist es erreicht. Alles läuft reibungslos, bis Sina fragt, ob denn kein Ausreisestempel der Chilenen vonnöten sei. Jetzt haben wir die Aufmerksamkeit des gesamten Posten auf unserer Seite. Ein junger Grenzbeamter, der dies wohl hätte bemerken müssen, wird im Hintergrund gründlich zusammengefaltet. Vorne versammeln sich so gut wie alle Beamten vor uns und debattieren angestrengt, wie wohl mit Reisenden zu verfahren sei, die sich, zumindest formell, in Argentinien und Chile gleichzeitig aufhalten. Ein Beamter kreuzt schon die Handgelenke, wohl mehr im Spaß, doch uns wird dabei doch ein wenig anders. Etwas dümmlich aus der Wäsche schauend, harren wir der Dinge, die da kommen. Schließlich wird uns erlaubt, ohne eine erneute Ausreise aus Argentinien, zurück nach Chile zu fahren um dort den fehlenden Stempel abzuholen. Weitere Beamte, draußen am Grenzposten werden informiert, Hütchen verschoben und Schranken gehoben, die wohl lange nicht bewegt wurden. Schneller, als es der Schrank für sinnvoll erachten würde, rumpeln wir nach Chile zurück. „Zehn Jahre muss das wohl her sein, das wir den letzten Fall dieser Art hatten“, lacht der Chilene, als er uns den ersehnten „Salida“-Stempel in die Papiere drückt. Auch seine Kollegin vom Zoll ist amüsiert. „Animales“ ruft sie durch den Raum – ein spanisches Wort, welches wir verstehen können. Und da wir noch keinen der vielen, manchmal durchaus süßen Straßenhunde adoptiert haben, können wir verneinen. „Bueno, adelante“ lacht sie und winkt uns durch den Zoll. Aufregend das Ganze, ein Tag, mal mit ganz anderen Eindrücken und einige sollten sogar noch folgen.

Eine davon ist die Fahrt vom Frühsommer in den Winter an einem Tag. Konnten wir die letzten Tage noch bei angenehmen Temperaturen von 15 – 20 Grad verleben, bekamen wir die Klimaveränderung jetzt richtig zu spüren. Die Temperatur fällt, seit der Überfahrt mit der Fähre auf die „Isla Grande“ zusehends. Noch auf der Schotterpiste fängt es plötzlich an zu schneien, dann wieder Sonne, gefolgt von Hagel und ein bisschen Graupel. Abends kommen wir nach Rio Grande, die zweite der beiden großen Städte in der argentinischen Provinz Tierra del Fuego. Wir steigen aus und befinden uns im tiefsten Winter.  Schnee fällt vom Himmel und es ist richtig kalt. Inzwischen ist es dunkel, doch in der Stadt finden wir keinen Stellplatz für die Nacht und so fahren wir noch am gleichen Abend weiter, Richtung Ushuaia. 200 Kilometer liegen vor uns – doch das schreckt nicht weiter ab. Nach inzwischen rund 7000 gefahrenen Kilometern haben sich die Maßstäbe geändert. Man stelle sich vor: Nach rund 9 Stunden hinterm Steuer, 4 davon auf einer Buckelpiste, fragt man sich, ob man die Strecke Kiel – Hannover nicht auch noch fährt, nur weil es in Kiel keinen adäquaten Schlafplatz gibt. Natürlich nur auf einer Landstraße, ohne Beleuchtung und ohne die Strecke zu kennen. Zu Hause hätten wir uns wohl dagegen entschieden. Doch inzwischen scheinen 200 Kilometer wie ein Katzensprung.

Ohne etwas von der näheren Umgebung zu sehen, verbringen wir die Nacht an einer Tankstelle an der Ruta 3. Bis die Sonne unterging, war es das gewohnte und liebgewonnene Bild Patagoniens: endlose, flache Steppe über die ein immerwährender Wind weht. Oft ist er so stark, dass man einen Gang herunterschalten muss um gegen an zu kommen. Vorsicht ist auch beim öffnen der Türen geboten. Man sollte nicht versuchen, gleichzeitig auszusteigen, ansonsten verlässt der restliche Wageninhalt ebenfalls das Auto.
Morgens wachen wir auf und sind begeistert. Die Sonne scheint und wärmt trotz niedriger Temperaturen. Das schönste ist aber, wie sich die Natur und die Landschaft verändert haben. Schneebedeckte Gipfel leuchten uns entgegen, alte Wälder überall – ein Winterwunderland. Voller Glück setzen wir unsere Fahrt nach Ushuaia fort, erleichtert darüber, dass wir uns am Abend für den Schlafplatz an der Tankstelle entschieden hatten. Denn jetzt geht es in Serpentinen hinauf ins Gebirge. Dazu setzt kräftiger Schnee ein, wie wir ihn lange nicht mehr erlebt haben. Tolle Aussichten warten hinter jeder Biegung, das Fahren ist abenteuerlich, steil gehen die Hänge hinab. Das Thermometer fällt unter den Gefrierpunkt, wir fahren langsam, auch, um nichts von der Umgebung zu verpassen. Doch plötzlich ändert sich unsere Stimmung. Grund ist ein Polizeiposten, der uns an den Straßenrand winkt. Anfangs glauben wir an eine der häufigen Kontrollen. Doch wir sollen nur warten. Nichts passiert. Ein Schwertransport? Ein abgerutschter Hang? Nach einigen Minuten haben wir Klarheit. Als wir an der Unfallstelle vorbeigeleitet werden, sehen wir die durchbrochene Leitplanke. Ein anderer Autofahrer war nicht so vorsichtig und ist von der Straße abgekommen. Einige Ambulanzen und Polizeiwagen stehen am Rand, die Menschen sind in großer Eile oder schauen betroffen hinunter ins Nichts. Wie tief die Felswand an dieser Stelle nach unten reicht, wir möchten es uns nicht vorstellen. Nur noch einige Kilometer und der Wagen hätte Ushuaia erreicht, die Stadt, in die wir nun hineinfahren. Am Fin del Mundo, dem Ende der Welt, werden wir uns längere Zeit aufhalten. Viel gibt es hier zu erleben – mehr davon gibts dann beim nächsten Mal!

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20. Oktober 2012 – Whale watching – wer braucht schon ein Boot?

Willkommen am bisher einsamsten Ort, an dem wir übernachten werden. Heutiges Ziel: der Nationalpark Bosques Pertificados, in dem es einen versteinerten Wald zu sehen gibt. Doch von dem Wald beim nächsten Mal Mehr. 50 Kilometer geht es von der Ruta 3 auf einer Piste ins Landesinnere bis an den Parkeingang, den wir, trotz bereits verstrichener Öffnungszeit, noch aufsuchen. Rund 20 Kilometer davor gibt es zwar einen Campingplatz, La Paloma, so sein schöner Name, doch dort kamen wir uns vor, wie in einem Endzeitfilm. Einzige Anwesende, ein Hund und eine Katze, beide allerdings sehr freundlich gesinnt. Ansonsten Totenstille. Nicht ganz: Neben einem Pickup ohne Räder, einem verrosteten Auto aus den vierziger Jahren und einem gestrandeten Tanklaster, quietschen zwei Windräder. Die Türen verschlossen, seltsame Gegenstände überall. Abmontierte Schilder, die von besseren Zeiten erzählen. Ein Überlandbus aus vergangenen Tagen, der komplett vernagelt am Rande des Geländes steht. Auf einem Tisch in der Landschaft liegen vertrocknete Brötchen, aber kein Vogel weit und breit. Eine Kulisse, wie geschaffen für einen schlechten Horrorfilm. An Campen ist hier nicht zu denken! Also, geht es weiter zum Park. Die dortigen Ranger sind noch vor Ort, haben jedoch bereits Feierabend. Die Frage, ob wir auf dem, uns viel gastlicher vorkommenden Parkplatz des Nationalparks übernachten dürfen, wird verneint. Doch hilfsbereit, wie wir es kennen, bedeutet einer von ihnen uns, ihm zu folgen. Auf seinem Quad führt er uns weit in die Steppe und so stehen wir schließlich mitten im Nichts. Wir erwarten jeden Moment, dass ein selbstgeschraubtes Vehikel a la „Mad Max“ über die verlassene Zufahrtsstraße rast, doch nichts passiert.„Nachts bitte nicht aussteigen“ sagt der Ranger noch, bevor er uns allein lässt. Pumas soll es hier geben und noch so einige andere Tiere, wir sind gespannt.

Aber zurück geht es gedanklich an einen der schönsten Orte bisher – die Halbinsel Peninsula Valdes. Viel hatten wir schon über dieses Naturreservat gelesen. Wir wurden nicht enttäuscht. Einzig der erste Tag gestaltet sich anfangs unerwartet anstrengend, als wir uns auf dem einzigen Campingplatz in Punto Pyramides, dem einzigen Ort der Insel, wieder einmal festfahren – dieses Mal in einer Sandwehe. Bei den Befreiungsversuchen, verschleiße ich, gefühlt, die halbe Kupplung und Sina ihre gesamte Muskelkraft. Doch, dieses Mal ohne fremde Hilfe und nach einigem Buddeln, schaffen wir es, uns zu befreien, um anschließend gleich unsere Hilfe bei einem andern Womo anzubieten, welches das gleiche Schicksaal ereilte. Noch einmal tut es mir um unsere Kupplung leid und wir beschließen, sie in Ushuaia überprüfen zu lassen. Mit einem großen Stück  gegrilltem Rind nimmt der Abend dann doch noch eine versöhnliche Wendung  und was wir die Tage darauf erleben dürfen, toppt, von den Wasserfällen in Iguazu abgesehen, alles bisher erlebte.

Die nächsten sieben Tage sehen wir Punto Pyramides nur noch um Wasser zu bunkern, die Toilette zu leeren oder einzukaufen, denn gleich am nächsten Tag finden wir einen freien Stellplatz an einer abgelegene Küste, wo wir den Rest unser Zeit auf Peninsula Valdes direkt am Atlantik stehen. Gleich nach unserer Ankunft am Nachmittag, die Flut ist da, sehen wir Wale. Nicht in einiger Entfernung und nicht nur ein paar. Zig Paare und Einzeltiere tummeln sich, direkt vor uns, in der Bucht. Sie sind so nahe, dass es nur ein paar Schwimmzüge bräuchte, um sie zu erreichen. Bei einer Wassertemperatur von rund elf Grad sehen wir davon ab. Wir können uns nicht sattsehen, Sina weint vor Glück. In der kommenden Nacht ist an Schlaf kaum zu denken. Auf einer Klippe am Atlantik stehend, können wir hören, wie die Wale blasen und ihre Fluken auf den Ozean klatschen lassen. Die Brandung schlägt an den Strand, vom Mond beleuchtet. Ich bin nicht übermäßig romantisch veranlagt, doch diese Kulisse, die Geräusche und die Einsamkeit – ein Traum. Noch am Nachmittag hatten wir Boote gesehen, die Touristen vom Ort in die Bucht schipperten. Whale watching. Eine Stunde knipsen aus der Entfernung und ab zurück zum Bus. Sie taten uns leid. Ach, was soll´s – wir waren schadenfroh!

Ein Tagestrip über die Insel ist ein Muss für einen Besucher der Insel und auch wir machen uns auf. Verschiedene Punkte gibt es zu besichtigen – dort warten neben der Spektakulären Natur Seeelefanten, Seelöwen, Pinguine und noch so einige andere Tiere. Gute 200 Kilometer verbringen wir auf den, von uns so geliebten, Staubpisten, doch es lohnt sich. Auch Orkas sollen des Öfteren ihren Hunger vor der Insel stillen, doch in diesem Fall haben wir kein Glück. Interessant ist aber, was ich auf einer Informationstafel las und was ich hier doch gerne einmal wiedergeben möchte, um die Tiere in ein besseres Licht zu Rücken. Es ist schon lange her, als spanische Walfänger den Orkas einen Spitznahmen verliehen. „Wal-Killer“ wurden sie genannt, denn die Orkas jagen ebenfalls gern, was die Japaner noch heute zu Forschungszwecken schlachten. Und so wie mit dem Forschungszweck verhält es sich auch mit dem heutigen Beinamen der Orkas. Er stimmt nicht. Aus den „Wal-Killern“ wurden nach einer fehlerhaften Übersetzung ins Englische die „Killer-Wale“, ganz ähnlich wie bei der jungen Frau Maria, die, lange nach der Geburt des kleinen Jesus, wieder zur Jungfrau wurde.

Doch ich schweife ab. Eine Woche halten wir es so: Einen Tag mit den Walen wohnen, den nächsten ein bisschen Aktion. Ein weiteres Erlebnis ist ein langer Spaziergang am Strand. Nichts besonderes, sollte man meinen und auch wir denken anfangs so. Ich fotografiere ein paar Krebse und Möwen, Sina genießt die Weite - was man so macht am einsamen Strand. Doch dann, wir mögen schon drei Stunden gelaufen sein, zeichnen sich, in einiger Entfernung, eigenartig, länglich-schwarze Gebilde ab. Durch das Fernglas betrachtet sieht es auch wie zwei abgestorbene Bäume, doch es gibt in Patagonien keine Bäume. Nach und nach beginnen die Möwen uns anzuschreien und ein bisschen zu attackieren. Warum tun sie so etwas, fragen wir uns? Einige Meter weiter kennen wir den Grund. Wir stoßen auf zwei Walkadaver an dem die Möwen bis eben noch herumhackten. Faszinierend und traurig zugleich . Was mag die Tiere wohl bewogen haben, sich an den Strand zu begeben? Woran mögen sie gestorben sein? Lange halten wir uns dort nicht auf, denn der Gestank ist atemberaubend. Und: wir haben es eilig, auch wenn wir es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen. Einige, nicht zu verachtende Umwege müssen wir auf dem Rückweg laufen, denn die Flut hatte inzwischen eingesetzt und viele Priele waren bereits vollgelaufen. Ich hole mir nasse Beine und bin glücklich.

Nach dieser schönen Woche geht es weiter nach Rada Tilly, ein Ort, nahe bei Comodoro Rivadavia, schon ziemlich im Süden gelegen. Es heißt, es sei der südlichste Badeort der Welt. Vielmehr hat der Ort für uns auch nicht zu bieten. Drei Tage verbringen wir dort auf dem einzigen Campingplatz und nur deshalb erzähle ich überhaupt von Rada Tilly. Es ist eine Geschichte aus der beliebten Reihe Fettnäpfchen. Schon bei der Ankunft fragen wir uns, was, in aller Welt, auf diesem Campingplatz so unglaublich stinkt. Wir können es uns nicht erklären, doch wir sind einiges gewohnt und bleiben. Am nächsten Tag mache ich mich daran, unfreiwillig eine Lösung für den Gestank zu finden. Es ist Wäschetag. Die folgende, kleine Erzählung könnte zwei Titel haben. „Wie Sina ihren Willen bekam, eine Wäscherei zu besuchen“ oder „Nicht aus jedem Schlauch kommt Wasser“. Morgens beschleicht mich eine blendende Idee. Im Zugzwang, weil ich es aus Kostengründen ablehnte, unsere Wäsche für eine Grundreinigung in eine Wäscherei zu geben, habe ich mich überschwänglich angeboten, selbst, allein und eigenhändig die gesamte Wäsche zu waschen. „Es kann nicht schaden“, sage ich, „die Wäsche zuvor ordentliche einzuweichen“. Ich finde meine Idee phänomenal und verfeinere sie sogar noch. Man stopfe sämtliche Stücke in eine große Ikea-Tüte, gebe viel Wasser hinzu und stelle Alles in die Sonne. Wirkt wie ein Waschgang bei 60 Grad, denke ich mir aus. Berstend voll steht die Tüte in der Sonne, als ich am Hahn drehe. Ein erfreulich dicker Strahl ergießt sich in meinen improvisierten Bottich – eine gute Idee, denke ich zum wiederholten Mal und bin ein bisschen stolz auf meine Fähigkeiten als Hausmann. Überall auf dem Campingplatz lagen sie rum, die dicken Schläuche. „Kein Trinkwasser“ steht daran, doch das steht hier an jedem Hahn, wer Trinkwasser möchte, geht in den Supermercado. Die Tüte läuft längst über, als Sina mir doch zur Hilfe kommt. Doch ihre Reaktion irritiert mich und auch ihr Gesichtsausdruck lässt kein gutes Gefühl aufkommen. „Was stinkt hier so widerwärtig?“, fragt sie entsetzt und während ich noch darüber nachdenke, ob diese Worte nicht vielleicht doch ein verstecktes Lob beinhalten, merke ich es selbst. Ich habe, ganz nebenbei, das Rätsel um den Gestank gelöst.
Es verhält sich so. Der Platz besitzt keinen direkten Wasseranschluss – das sagte mir der Wasserwagen hinter den Sanitären Anlagen, in dem sich tatsächlich sauberes Trinkwasser befindet. Dieses wird für allerlei nützliche Dinge verwendet, für die Duschen, zum Beispiel, für den Abwasch oder aber auch für die Pissoirs und die Toiletten. Das ergibt Abwasser. Und schlau, wie der Argentinier ist, nutzte er in diesem Fall gerade dieses Abwasser, um die Vegetation auf dem gesamten Platz zu versorgen. Wie grün es dort war! Als ich bemerke, in welcher Flüssigkeit ich wohl die Hälfte unserer Kleidung ertränkt habe, muss ich mich beinahe zusätzlich noch über selbige übergeben. Geschadet hätte es nicht mehr. Ich denke an Entsorgung, denn auch nach mehrmaligem Spülen leide ich weiterhin an Brechreiz. Schließlich besuchen wir doch eine Wäscherei. Es ist peinlich und wir sind nicht sicher, ob unser Spanisch ausreichte, diesen Vorfall zu schildern. „Mal agua, mal agua“ sagen wir entschuldigend, gleich wieder in Sorge, ob verstanden wird, das WIR in schlechtem Wasser gewaschen haben und nicht, dass nun in schlechtem Wasser gewaschen werden soll. Als wir die Wäsche abgeben, werden wir ein bisschen angewidert angeschaut und bei der Abholung dann ein bisschen ausgelacht. Doch unsere Kleidung haben sie gerettet – noch vor der Tür reißen wir die Tüten auf und riechen. Kein Brechreiz! Wir sind glücklich. Und heute stehe ich Dienstleistungen viel aufgeschlossener gegenüber.

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09. Oktober 2012 – Bahia San Blas – Willkommen im Anglerparadies!

Eine kleine Insel, zu erreichen über schlimme 58 Kilometer Wellblechpiste. Der Schrank musste ganz schön leiden, doch derartige „Straßen“ sind öfter zu befahren, will man die etwas abgelegenen und damit meistens schöneren Orte erreichen. Stöße so schlimm, dass ein Achsbruch gefühlt kurz bevor steht, dabei eine Kilometerlange Staubfahne hinter sich herziehend. Plötzlich übertönt lautes Piepen das Gedröhne. Nun haben wir ein größeres Problem, denken wir beide – ein solch lautes Warngeräusch lässt Schlimmes vermuten. Doch: Alles gut. Es war der Feuermelder, der aufgrund des hohen Staubgehaltes im Innenraum einen Brand vermutete. In Argentinien sind die Straßen noch gut, sagen uns andere Reisende…

Es war schon dunkel, als wir Bahia San Blas endlich erreichten. Knapp 60 Kilometer bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und höchster Konzentration um wenigstens den schlimmsten Stellen zu entgehen – das kostet Nerven. Aber wir werden noch am selben Abend dafür belohnt. Bahia San Blas ist ein traumhafter Ort – für Angler! Die Insel empfängt ihre Besucher mit einen mit einem Monument in Form eines Haies, an der Promenade steht die große Statue eines angelnden Mannes. Entsprechend rustikal der einzig offene Campingplatz am Ort. Aber herzlich! Überschwänglich werden wir von der Familie, die den Platz führt, empfangen – und von „Jefe“ (der Besitzer, wir nannten ihn so – zu Deutsch: Cheffe) den Rest des Abends bedient. Nebenbei ist Jefe Schlachter und nachdem er uns ein halbes Rind verkauft hat, beginnt er für uns ein original argentinisches Asado zu bereiten. Es ist uns etwas unangenehm, doch Jefe duldet keinen Widerspruch. Da ich nicht wirklich selbst an den Grill darf, spielen Sina und ich unterdessen Billard auf dem im Internet angepriesenen Tisch, auf dem die Kugeln, egal wie stark man stößt, sich nur sehr wiederwillig bewegen. Das dauert, aber ein gutes Asado ja schließlich auch. Ich frage Cheffe noch, ob er in seinem kleinen Laden auch Zigaretten verkauft. Leider nicht, so die Antwort. Kurze Zeit später sitze ich neben ihm in seinem riesigen, alten, lauten und so faszinierendem Pickup, der uns zur Inseltankstelle bringt. Dass ich in einem solchen Gefährt mal Platz nehmen darf, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Die Krönung des Abends, Sina ist ziemlich neidisch. Nebenbei: Auch hier war Jefe nicht davon zu überzeugen, dass ich ebenso gut laufen könnte. Ach, und das Fleisch ist auch lecker.

Am nächsten Tag gibt es Fisch! Mehrere Stunden brauchen wir, um herauszubekommen, wie man hier richtig angelt, dann haben wir Equipment und Köder für das Brandungsangeln zusammen. Vier Fische werden wir bis zum Abend geangelt haben – in der Größe ausgewachsener Dorsche. Wie die Art heißt? Wir können´s nicht sagen, die Profis mögen uns verzeihen. Aber geschmeckt haben sie super!

Viel mehr gibt es von Bahia San Blas nicht zu berichten – vielleicht noch erwähnenswert: unser erster Platten – ein Pneu hatte die Piste nicht verkraftet. Eine Gomeria, Reifenflickwerkstätten, die es an jeder Ecke gibt, hat`s gerichtet. Umgerechnet 6,60 Euro – was hätte so etwas wohl in Deutschland gekostet?

Nach einer weiteren Nacht fahren wir weiter. Ein Naturreservat, welches wir ansteuern, entpuppt sich als öder Strand, an dem Sina wenigstens zwei Hände schönster Muscheln findet. Ob das Abenteuer allerdings weitere 140 Kilometer Wellblechpiste wert war, steht zu bezweifeln. Abends fallen wir erschöpft an einer unserer geliebten Truckertankstellen ins Bett.
 

06. Oktober 2012 – Der Berg ruft!

Eine wirklich schöne Zeit hatten wir in den letzten Wochen, mit vielen Dingen, die so ganz genau in unser Bild von einer derartigen Reise passen. Einige Zeit blieben wir in Necochea – die Zeit dort glich einem Urlaub, den ich aber auch zum Arbeiten nutze – Sina machte derweil einige schöne Ausflüge in die Gegend, darunter zum Beispiel ein schöner Park, angelegt in einem großen Wald, jedoch ohne Eingrenzung. Und so fand Sina sich plötzlich auf privatem Grund, zwei ausgewachsenen Hunden gegenüber, die überhaupt nicht freundlich nach vorn übergebeugt knurrten und bellten. Auch Sina gab schnell etwas von sich: Ihr bestes Spanisch. „Estoy perdido“ – heißt so viel wie „ich habe mich verlaufen“ aber auch „ich bin verloren“, hier war wohl beides passend. Die Hunde wurden zurückgepfiffen, der Weg gezeigt und eine weitere, kleine Geschichte war überstanden, die wir täglich erleben. Eine weitere, kleine, dieser Art ist unsere erste Seelöwenkolonie – dazu sprechen besser Bilder.

Nach unserer Abreise aus Necochea war Punta Alta nächstes Ziel. Ein Reinfall, wie der ganze Tag, wenn man davon absieht, dass wir die legändere Ruta 3 erreichten. Sie wird uns nun über tausende von Kilometern in den Süden begleiten, bis fast nach Ushuaia, wo wir Weihnachten feiern möchten. Viele Reisende unserer Art treffen sich dort jedes Jahr und feiern gemeinsam im dortigen Hochsommer.

Zurück nach Punta Alta. Bahia Blanca, die größere Nachbarstadt, soll schön sein. Doch wir meiden große Städte und so entschieden wir uns für Punta Alta, um dort einen Campingplatz zu suchen und Blog zu schreiben, doch das musste warten.
Die Stadt empfing uns mit einer unendlichen Menge Müll, links und rechts an der Einfallstraße. Darin joggten Menschen, sie angelten im angrenzenden Fluss, für uns unvorstellbar. Wir verließen die Stadt, auf einem anderen Weg, der ebenfalls eine schöne Aussicht bot: Ein riesiges Industriegebiet. Vorteil hier: Gute Straßen, ein schöner Blick in die untergehende Sonne (je verschmutzter die Luft, desto schöner ein Sonnenuntergang) und völlig neuartige Gerüche. Kurzum: Diesen Besuch hätten wir uns sparen können. Wir schliefen schließlich auf einer Tankstelle, wieder einmal Seite an Seite mit Brummis, dafür sicher und gut.

Am nächsten Tag wie so oft ein anderes Extrem. Außerhalb der Städte präsentiert sich Argentinien ganz im Gegenteil anders. Der Müll kommt dort nicht hin, zu groß ist das Land. Sina hatte schon in Necochea auf der Karte ein Naturreservat entdeckt, nahe einer winzigen Stadt mit Namen Tornquist. Ein Interessanter Mann, nachdem dort auch der Naturpark benannt ist, den wir sogleich besuchten.

Der Parque Provincial Ernesto Tornquist bietet Bergidylle in einer ansonsten flachen Landschaft, flacher noch als bei uns in Schleswig-Holstein. Schon am ersten Tag melden wir uns beim dortigen Ranger für unsere „Schnuppertour“ an. Rund drei Stunden Klettern und Wandern wir, dann erreichen wir das Ende des Trails, herrlich gelegen, an einem kleinen Bach mit einigen Teichen. Natur pur, ohne weitere Menschen, still und einfach schön. Wir wollen mehr davon.

Und doch haben wir ja an diesem Tag ja noch eine unserer Lieblingsbeschäftigungen zu erledigen: Stellplatz suchen. Rund zwei Stunden der Suche vergehen und es wird bereits dunkel, als wir in Tornquist angehupt und mit kräftigem Winken zum Anhalten bewegt werden. Macht man nicht, kann gefährlich sein, trotzdem getan, ein Glück! Dieter heißt der Mann der aus dem Pickup steigt und uns fragt, ob wir aus Kiel kommen. Si, unsere Antwort. Dieter kommt aus Wiesbaden, war im Norden bei der Marine und lebt seit 16 Jahren in Argentinien, Haus, Land, Frau, drei Töchter – nach Deutschland geht es nur noch in den Urlaub.

Wir erhalten seine Karte und Tipps, bei wem wir uns melden mögen, um für die Nacht zu stehen. Wir freuen uns und kaufen, halbwegs sicher, einen Stellplatz zu finden, anschließend Fleisch zum Grillen. Den Supermercado verlassen, wieder ein Hupen und Winken. Dieses Mal ist es ein Angestellter von Dieter.  Nun beginnt eine Geschichte, die man so wohl nur auf einem derartigen Trip erlebt. Raus aus Tornquist geht es einige Kilometer durch ein Tor, auf dem „Vende“ steht – also, zu verkaufen. Damian und Karina leben hier in einem kleinen Nebengebäude und kümmern sich um das leer stehende Anwesen. Noch interessanter ist aber die Geschichte des Grundstücks, auf dem wir die kommenden zwei Tage wohnen dürfen. Dieter, mit dem wir am kommenden Abend noch ein Bier im Ort trinken gehen, erzählt sie uns. Das Land wurde von einem Europäischen Großindustriellen gekauft, so nebenbei.  Auch ein Haus errichtete er dort. Seine Frau ist inzwischen verstorben, seitdem steht das Anwesen zum Verkauf, doch noch gehört es dem Europäer, der heute mit einer der weltweit renommiertesten Cellospielerinnen   _Name_ verheiratet ist, eine direkte Nachfahrin von Napoleon Bonapartre. Wir stehen also auf historischem Grund!

Noch am Abend unserer Ankunft sitzen wir bei Damian und Karina in der Küche ihres hübschen, kleinen Hauses und versuchen uns zu unterhalten. Mit Händen und Füßen, vielen Bildern und einigem Spanisch geht es auch ganz gut. Es folgt eine Einladung zu Mate-Tee trinken und für iuns ein Riesen Fettnapf. Sina rennt sogleich zum Auto und holt unsere Mate-Strohhalme, was verwunderte Blicke bei unseren Gastgebern auslöst. Als Sina dann zwei Strohalme in den Matebecher steckt und ich ihn anschließend ganz alleine leer trinke, dabei freundlich und unwissend Grinsend, ist die Verwirrung perfekt.

Wie unhöflich muss das gewirkt haben! Mate ist Nationalgetränk, sein Genuss zelebriert. Er wird öfter getrunken, als in Deutschland Kaffee. An jeder Tankstelle gibt es Automaten, die heißes Wasser ausspucken, für die Thermoskannen, die jeder Argentinier zu jeder Gelegenheit mit sich rumschleppt, plus Mate, einen speziellen Becher und Strohhalm. Man trifft sich auf der Straße, fährt in den Park oder an den Strand und trinkt Mate. Und zwar immer alle aus einem Becher und mit einem Strohhalm. Weitergeben ist also angesagt, ein Zeichen von Freundlichkeit und Gesellschaftlichkeit. Wie fremd und egoistisch muss wohl unser Verhalten gewirkt haben? Zum Glück waren die beiden unglaublich lieb und wir lernten schnell, wie Mate zu trinken ist und welchen tieferen Sinn das hat. Was habe ich mich deutsch gefühlt…

Am kommenden Morgen, gegen 10, sind wir wieder an der Rangerstation. Heute geht es zum „Hole“ – einem großen Loch mitten auf der Bergkette. Der Auf- und Abstieg dauert einen ganzen Tag und ist eine tolle Übung für unseren kommenden Trails. 615 Höhenmeter steigen wir den Berg auf insgesamt 1115 Meter hinauf, gar nicht immer so einfach – oft ist richtig klettern angesagt. Doch es wird einer der schönsten Tage, die wir bisher hatten. Auch hier: tolle Natur und ein echtes Gefühl von Freiheit, mehr als zufrieden fallen wir abends auf unserer privaten Estancia ins Bett. Sie kostet übrigens 1,5 Millionen Dollar, eine Flugzeuglandebahn mit Hangar, 4 Schlafzimmer, einen Pool, 64 Hektar Land, Wälder, Berg, ein eigener Bach und sogar ein Hirsch inbegriffen. Wir waren kurz am überlegen.

Weiter ging es am Morgen, zurück auf die Ruta 3. Heute schreiben wir Euch aus Bahia San Blas, einer winzigen Insel, schon in Patagonien. Es gibt jeden Tag Fisch – gleich gehen wir wieder angeln. Aber davon mehr beim nächsten Mal!

Hier noch ein schönes Bild, welches wir bei der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit bei Tornquist entdeckten. Etliche Kilometer Wellblechpiste liegen schon hinter uns – und andere „Straßen“, auf denen keine Unterhaltung mehr möglich ist, zu sehr rumpelt und klappert alles. Schlaglöcher kommen noch mal extra und von der Art, dass sie einem schon mal die Achse brechen können. Dieses Foto zeigt eindrucksvoll, was Argentinier dagegen tun und wie gelassen hier einiges gehandhabt wird.

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22. September 2012 – Am Atlantik

Gestern war es endlich soweit: Ein erster Spaziergang am Atlantik. Es ist zwar noch ziemlich früh im Jahr, gestern war Frühlingsbeginn, doch das Wetter könnte besser nicht sein. Strahlender Sonnenschein und schon recht warm, am liebsten würden wir schon jetzt in die Brandung springen.
Seitdem wir den Nationalpark Pre Delta besuchten, ist nicht wirklich viel passiert. Eine Nacht bleiben wir auf dem schönen, aber winzigen Areal, wo wir mutiger Weise und zum Testen unserer Leuchtmittel eine kleine Nachtwanderung unternehmen. Schnell faszinieren uns die unendlich vielen leuchtenden Punkte, links und rechts am Wegesrand. Grünlich und hell blitzend, wie kleine Sterne am Boden. Näher untersucht, schlägt die Faszination, zumindest bei Sina, dann aber schnell in leichte Panik um, handelte sich bei den Sternen doch sämtlich um die Augen von Spinnen, viele Spinnen, die uns lieb beäugen und deren Sehorgane ganz herrlich das Licht der Stirnlampen reflektieren. Viel mehr aufregendes gab der Park nicht her, allerdings lag er sehr idyllisch am Rio Parana und zwei kleineren Lagunas – genau das Richtige, um auszuspannen und ein bisschen Entspannung hatten wir nötig, nach unserem Besuch im kleinen Örtchen Diamante.

Diamante – so lautet der schöne Name des Ortes, einige Kilometer vom Nationalpark entfernt. Lebensmittel einkaufen und zur Bank, so der Plan. Gleichzeitig und ungewollt wurden die dortigen Erlebnisse auch kleine Diamanten in unserer lockeren Sammlung chaotischer Ereignisse. Oft passiert tagelang nichts, doch in Diamante sollten wir viel lernen! Zum Beispiel über die Einbahnstraßenregelungen hier in Argentinien. Eigentlich wissen wir, dass es, abgesehen von den Avenidas, ausschließlich Einbahnstraßen gibt. Immer führt eine hoch und die Parallelstraße wieder herunter. Dennoch fanden wir uns kurz nach Ankunft in Diamante in der falschen Richtung fahrend, auf einer solchen Straße wieder. Uns entgegenkommend, ein großer Laster der Bombaderos, zu Deutsch Feuerwehr, glücklicher Weise nicht im Einsatz. Da heißt es dümmlich grinsen, winken und den Rückwärtsgang gewählt, diese Situation war schnell gemeistert.

Kurz waren wir ausgestiegen, um eine Bank zu suchen, als dann die Policia unser Auto inspiziert. Wir seien aufgefallen, weil wir falsch herum durch Einbahnstraßen führen. Auf unser „Perdon“ wird uns versichert, dass dies nicht weiter schlimm sei und schließlich werden wir bis zur nächsten Bank eskortiert. Dort angekommen steigen beide Beamte aus und unterhalten sich noch ein wenig mit uns. Wie es uns ausgerechnet nach Diamante verschlagen hat. Woher wir kommen, wohin wir wollen. Eine Zigarettenlänge lang. Dieser Akt der Freundlichkeit überwältigt uns dermaßen, dass wir anschließend gleich mal die Visa-Karte im Automaten belassen, dies jedoch erst gute 500 Kilometer entfernt in Buenos Aires bemerken. Etwas nicht durch Schlampigkeit zu verlieren – unbezahlbar! Zur Beruhigung einiger Leser/innen: Nichts wurde gestohlen und eine Neue bereits bestellt.

Schließlich das Einkaufen. Das Pfandsystem hatten wir bis zu jenem Tag nicht vollkommen begriffen. Das System gilt überhaupt scheinbar nur für Bierflaschen, diese sind dann immer gleich einen Liter groß. Bringt man keine leeren Flaschen mit, bekommt man auch keine vollen verkauft. Man ist gezwungen, die deutlich teureren Flaschen nehmen, die kein Pfand besitzen. Wie also an leere Pfandflaschen kommen? Wir überlegten schon, ob diese vererbt werden, ob eines denkwürdigen Tages der Vater zum Sohn kommt, in der Hand eine Kiste zur sicheren Aufbewahrung der Flaschen, die er schon von seinem Vater bekam. Kann eigentlich nicht sein, dachten wir uns. Dieses Mal sollte alles anders werden. Wurde es auch. An der Kasse gefragt, wo denn unsere alten Flaschen seien, bestehen wir darauf, neue Pfandflaschen kaufen zu wollen, ohne alte dabei zu haben. Etwas unerhörtes, haben wir das Gefühl. Schließlich erhalten wir sie, doch meine Versuche, auf Spanisch zu erklären, dass wir „Nueve botellias“ benötigen, werden irgendwie falsch interpretiert. Die Dame an der Kasse verschwindet, um kurz darauf mit acht zusätzlichen Flaschen zurück zu kehren,  von jeder Sorte eine Flasche. Nun wird die Sache unangenehm. Vor lauter Verzweiflung kaufen wir alles und führen seitdem eine Art Bier-probier-Stube mit uns. Doch wissen wir nun um die Funktionsweise des Systems und genügend Pfand haben wir jetzt auch!

Von den ereignisreichen Stunden erholten wir uns blendend im Nationalpark, um uns am kommenden Morgen auf den Weg zurück nach Buenos Aires zu machen. Da der Weg in den Süden für uns noch einmal durch die Stadt führte, nutzen wir zwei Tage dort, um unsere Freunde zu besuchen,  Vorräte aufzufüllen und Wäsche zu waschen. Eines ist noch wichtig zu erwähnen - auch für andere Reisende, denn wir hatten nur gegenteiliges gehört und gelesen: In Argentinien gibt es Nuva-Ringe. Sina lief extra ins Deutsche Krankenhaus in Buenos Aires und erhielt insgesamt drei Rezepte. Nur die entsprechenden Farmacias, die Nuva-Ringe führen, muss man etwas suchen. Bestellen ist jedoch scheinbar immer möglich...

Nach zwei weiteren unspektakulären Tagen on the Road, haben wir heute einen sehr schönen Campingplatz gefunden. Zwar ohne Internet, dafür direkt am Ozean. Drei Tage wollen wir hier bleiben, um das Meer zu genießen und zu planen: Das Abenteuer Patagonien beginnt in Kürze und bei den riesigen Entfernungen muss man schon genau darauf achten, welche Stelle man sich als erstes und welche im Anschluss anschaut.

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16. September 2012 – Ziemlich krank, die letzten Tage.

Da hatten wir uns zu früh gefreut. Noch in der Nacht nach meinem letzten Eintrag musste ich mehrmals auf die Toilette. Auch morgens geht es mir nicht viel besser. Durchfall, Abgeschlagenheit, Gelenk- und Muskelschmerzen, dazu Übelkeit und Fieber: Das sind Symptome von Dengue-Fieber. Davor wird sogar auf Plakaten gewarnt. Einen wirkungsvollen Schutz gibt es kaum, steht darauf und auch, dass man weder Aspirin noch Ibuprofen einnehmen darf, sondern ausschließlich Paracetamol. Schön, wenn es das einzige Schmerzmittel ist, welches in unserer Reiseapotheke fehlt. Aber nun haben wir immerhin die Erfahrung, dass es pro Farmacia nur einen Riegel gibt, der dann aber auch umgerechnet nur 30 Eurocent kostet.

Wir entschließen uns loszufahren, denn in jedem größeren Ort gibt es Hospitäler, die man zur Not aufsuchen könnte. Wikipedia sagt: Die meisten  Krankheitsverläufe sind noch drei bis zehn Tagen überstanden, danach gibt es sogar eine kurze Immunität. Toll! Sina fährt den ganzen Tag und bis in den späten Abend, dann haben wir eine Raststätten-ähnliche Tankstelle gefunden. Ich hänge die ganze Zeit wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Beifahrersitz und vegetiere vor mich hin. Es schmerzen alle Gelenke, doch dagegen hilft das Paracetamol. Das schlimmste ist die Trägheit. Jedes bisschen Bewegung kostet unermessliche Kraft. Am Abend steigt das Fieber auf fast 40˚C, morgens geht es mir aber schon wieder besser und gestern geht es mir wieder gut - Glück gehabt.

Heute war leider Sina dran. Schon in der Nacht musste sie sich übergeben, es folgte viel Müdigkeit, Magenprobleme und noch Einiges mehr. So war heute ich der Fahrer und Sina schlief ab wechselnd im Bett oder auf dem Beifahrersitz. Dengue scheint es bei ihr aber nicht zu sein, es geht ihr schon besser.
Dem schönen Mburucuyá – Nationalpark statteten wir aufgrund der Krankheiten nur einen kurzen Besuch ab, da uns die Hitze dort zu schaffen machte.

Wir erreichten den ihn über eine vielleicht 30 Kilometer lange Sandpiste, aufregend. Der Park ist eigentlich eine ehemalige Hacienda. Die damaligen Besitzer schenkten alle Gebäude und das ganze Land Argentinien, unter der Voraussetzung, einen Nationalpark zu schaffen. Die alten Gebäude, das Herrenhaus, der Bau für die Landarbeiter - alles steht perfekt erhalten da, als würden alle morgen wieder zurückkehren. Wir waren die einzigen Gäste und fühlten uns ein bisschen wie „Urlaub auf dem Bauernhof“.

Wegen der Umstände verzichteten wir auf Wanderungen, doch in gewisser Hinsicht war das auch nicht nötig. Wir erhielten viel Besuch, glücklicherweise, nicht menschlicher Art. Etwas Rotwild graste direkt neben uns, als wir uns abends etwas am Grill bereiteten, gefolgt von einem Gürteltier, welches uns kurz aus dem Unterholz begrüßte. Die Füchse waren eigentlich die ganze Zeit über bei uns, und in der Nacht sahen wir drei Wasserschweine in Reih und Glied direkt am Auto vorbeigehen, in aller Ruhe. Und, nicht zu vergessen: Tonnen von Insekten, ein Mader, eine kleinere Schlange und ein paar Pferde.

Morgen erreichen wir den Parque Nacional Pre-Delta, am Rio Paraná gelegen. Dort kann ich dann vielleicht auch endlich mal angeln… Bleibt dabei, wir freuen uns!
 

13. September 2012 – Schmetterlinge im Bauch und Drumherum!

Nie hätten wir gedacht, dass Schmetterlinge auch ganz schön nervig sein können. Im Nationalpark Iguazú werden wir eines Besseren belehrt. Derartig viele Schmetterlinge in unterschiedlichster Form und Farbe scheint einem schier unglaublich zu sein, wenn man sich zu Hause über einen versprengten Zitronenfalter freut. Zudem sind die Flattermänner unglaublich zahm. Hier stellt sich die Frage, ob Schmetterlinge eigentlich zahm sein können? Es kommt einem jedoch so vor, denn die meiste Zeit tragen wir einige mit uns herum, während sie sich an unserem Schweiß laben. Sitzt einer auf der Hand, so kann man dabei ruhig etwas essen oder auch fotografieren, das Insekt fühlt sich dadurch in keinster Weise gestört. Erst ein kräftiger Schubs bewegt ihn dazu, sich einen neuen Wirt zu suchen.

Auch ansonsten war der Nationalpark ein echtes Highlight. Die Besuchermassen sind schnell ausgeblendet und auch, dass man sich nur auf angelegten Pfaden bewegen darf. Wäre der Park (wie meistens üblich) jedoch frei zugänglich, so hätten die Massen ihn bald zertrampelt. Neben einigen Tieren, darunter Kapuzineräffchen, Nasenbären und Schildkröten, waren die Fälle natürlich die Hauptattraktion. Schier unfassbare Wassermassen und Urgewalten, die man nicht beschreiben kann. Mehr als einmal werden wir bis auf die Haut nass, dabei ein Donnern und Dröhnen, eindrucksvoll! Nicht zu verachten auch: Die rund 10 Kilometer Fußmarsch durch den, neben den Stegen und Pfaden, tatsächlich unberührten Dschungel. Den Rest entnehme man unseren Bildern, die unsere Erlebnisse dort nur schlecht wiedergeben können.

Und wir haben Gas! Dank der Hilfe unserer österreichischen und französischen Nachbarn und mit viel nervenaufreibender Bastelei, konnten wir, aus fremden Flaschen, unseren Tank zur Hälfte füllen. Ausschlaggebend dabei waren die Schellen unseres Wasserschlauches, Gaffaband (!), sowie ein selbst montierter Gasschlauch der Franzosen, seit sechs Jahren unterwegs und dementsprechend erfahren und ausgestattet. Leider ist dieser Schlauch einmalig und so etwas wie ein Heiligtum, die entsprechenden Überwurfmuttern und Gewinde hier nicht zu bekommen. Tja, die Franzosen weg, der Schlauch mit ihnen und so ist nun Sparsamkeit angesagt.

Auch die Österreicher sind eben los, beide Pärchen wollen Richtung Brasilien, doch zu Weihnachten trifft man sich vielleicht in Feuerland wieder. Für uns geht es morgen weiter. Wir planen, den Nationalpark Mburucuyá, zu Deutsch Passionsblume, zu besuchen. Bis dort sind es vielleicht 450 Kilometer, dennoch erwartet uns eine ganz andere Welt. Campen wir hier fast nach deutschem Standard, werden wir dort wohl in freier Natur stehen und vielleicht auch mal den ersten kleinen Trail mit einer Übernachtung im Zelt laufen. Eines wird sich allerdings nicht ändern: Das Wetter. Herrliche Sonne bei 26 – 30 Grad, jedoch nachts recht kühl, was will man mehr? Neben uns steht übrigens ein Apfelsinenbaum ;o).

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10. September 2012 – Die erste Schlammschlacht ist gemeistert!

Einige Tage sind vergangen, 1200 Kilometer liegen hinter uns und nun sitze ich hier, auf dem Complejo Turistico Americano, unserem ersten Campingplatz, umgeben von tropischem Wald und dementsprechenden Geräuschen in schwül-warmer Luft, nahe den Wasserfällen. Direkt im Nationalpark zu stehen, ist leider nicht erlaubt, er öffnet um acht und schließt um sechs. Schade – wir wären gern unseren ersten kleinen Trail gelaufen, mit einer Nacht im Zelt. Andererseits sind wir auch froh, mal wieder WiFi empfangen und Wasser bunkern zu können. Und welch Freude: Unser Kühlschrank funktioniert auch mit 110 Volt. Gut – der deutsche Campingstromstecker passt hier natürlich nicht, da heißt es sich dem Land anpassen und zu improvisieren. Stecker abschneiden, und rein mit den blanken Leitungen in die Dose. Nur das Gewissen des ehemaligen Elektrikers in mir rebellierte, angesichts deutscher Sicherheitsvorschriften Anfangs ein wenig, gab dann aber schnell Ruhe.

Sina wäscht gerade einen Berg Wäsche, die Kleidung von gestern ist ein Traum in Rot-Braun. Auf der Suche nach einem Campingplatz fuhren wir leider in eine Seitenstraße und versanken prompt und vollkommen im Schlamm. Abseits der Hauptstraßen sind die Straßen hier meiste eine Mischung aus Steinen und dem typischen rot-braunen Lehm, der hier wirklich an allem klebt. Autos in jedem Zustand meistern diese Straßen, nicht so unser Schrank, er erwies sich als zu schwer. Und so gab es gestern die erste Lehrstunde, was mit dem LT geht, und was nicht. Und auch die Erkenntnis, dass einige Vorbereitungen sehr sinnvoll waren. Zum Beispiel unsere Schneeketten, eine Art Allradersatz. Noch in unseren Rucksäcken hatten wir sie mit nach Argentinien geschleppt. Man darf nicht fragen, wie wir aussahen, nachdem wir sie angelegt hatten, doch die Wirkung verfehlten sie nicht und wir kamen frei. Bei der Ausfahrt aus dieser Straße steckten wir dann allerdings gleich wieder fest (Schneeketten bereits wieder abgenommen = wieder was gelernt).

Dieses Mal finden sich jedoch eine Menge freundliche Helfer. Es hält zum Beispiel eine Art Fiat Panda, besetzt mit einer Großfamilie und in schlimmem Zustand. Wir fragen uns, ob der Familienvater es tatsächlich ernst meint, uns mit diesem „Wagen“ helfen zu wollen. Das Gefährt sieht aus, und klingt, als würde es sich kaum noch selbst bewegen können. Aber mit den Anweisungen und der Manneskraft eines hiesigen Taxifahrers schaffen wir auch diese Hürde. Weiter hinten auf der Straße nähert sich bereits ein Trecker, uns zur Hilfe zu eilen. Schade findet es der Fahrer, dass er zu spät  kommt.
Man hört es zwar immer mal wieder, doch wir möchten hier noch einmal kundtun, wie freundlich die Menschen sind und wie gut der Service. Als vorurteilsfreier Deutscher bekommt man einen echten Schreck, wenn einem die Einkäufe aus der Hand genommen werden. Beeinflusst durch die Medien denkt man an einen Raub. Doch weit gefehlt: Es handelt sich nur um einen Angestellten, der einem die Tüten bis zum Auto trägt. Nur ein kleines Beispiel.

Heute werden wir ein weiteres Mal versuchen, unseren Gastank zu füllen. Unsere Nachbarn haben das gleiche Problem. Die Welt ist klein!. Bereits im Hamburger Hafen stand unser Schrank direkt neben dem geländetauglichen Womo der beiden Österreicher. Damals sah ich nur das Auto, ohne die beiden, die wir dafür dann im Hafen Zarate trafen. Und nun, ohne Absprache einer Route, treffen wir sie wieder – hier auf dem Campingplatz in Puerto Iguazú.
 

07. September 2012 – Ein erstes Mal Kilometer fressen

Buenas Tardes! Wir grüßen Euch zum Beginn unserer zweiten Nach an einem Trucker-Stopp, es ist viertel vor acht, kurz vor Paso del los Libres. Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit gefunden und welch Glück: Es gibt freies WiFi. Trucker-Stopps sind willkommene Orte, plus: Das Essen ist meistens gut!


Selbst kochen ist noch nicht drin, wir haben Schwierigkeiten, unseren Gastank zu füllen. Doch immerhin: heute konnten wir Wasser Bunkern.

Gestern wurde es später als geplant – erst gegen 18 Uhr machten wir uns in Buenos Aires auf den Weg, zur Rush-Hour, wann sonst… Und so stoppten wir nach drei Stunden Stau bereits kurz hinter der Stadt und fielen ins Bett. Heute haben wir dann ordentlich Kilometer hinter uns gebracht. 589, um genau zu sein. Auf dem Weg wohl ein Dutzend Polizeikontrollen. Hierbei wird jeweils die ganze Autobahn verengt und kontrolliert. Dreimal waren auch wir dran, das Fenster herunter zudrehen, doch wir hatten vorgesorgt. Noch am Morgen demontierten wir die Anhängerkupplung und brachten unseren „Germany“-Aufkleber (als Deutscher wird man hier sehr gut behandelt),  sowie das notwendige Höchstgeschwindigkeitsschild an. Man sieht hier gern mal Autos, die keine Karosse mehr besitzen oder LKW, die, auf dem letzten Zylinder keuchend und ohne jegliche Beleuchtung mit 40 über die Autopista juckeln. Aber: Es ist verboten, eine Anhängerkupplung am Auto zu haben, wenn kein Anhänger dranhängt. Ok – andere Länder…

Die Straßen: überwiegend gut ausgebaut: Die Ruta 14 ist eine Art Autobahn und wird gerade über die gesamte Strecke ausgebaut. Auf der Karte war dies noch nicht verzeichnet, welch Freude! Kein Spaß sind allerdings die Stellen, wo, bedingt durch Baustellen, von einer auf die andere Spur geführt wird. Selbst die LKW setzten dort auf, Asphaltierte Baustellenumgehungen sind eher unbekannt. Egal, für uns schon mal eine guter Test was dem Schrank so zuzutrauen ist.

Entgegen allem, was wir im Netz lasen, waren bisher sämtliche Kontrollen und Menschen freundlich und waren neugierig. Merke: keine Scheu, vor einem Rudel Männer, die sich an der Tankstelle die Nasen an den Scheiben des Schrankes platt drücken…

Morgen geht es weiter – noch einmal sind es rund 650 Kilometer, dann müssten wir die Wasserfälle erreichen.

Die Bilder, ja - morgen, nun aber wirklich versprochen!

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