02/13 - 03/13 Ecuador

04. März 2013 – Wie wir Grenzübertreten, Blaufußtölpeln und Wasserfallen

Huch – schon wieder ein ganzer Monat vergangen, die Zeit rennt. Peru hat uns, ganz persönlich, aus verschiedenen Gründen nicht so gut gefallen und so haben wir uns aufgemacht in das kleine Ecuador, wo wir heute auf dem Grundstück einer Gärtnerei und Baumschule stehen, mit einem tollen Blick auf die Stadt Ibarra und ansonsten mitten in der Natur. Dem Australier Graham gehört dieses Anwesen auf dem wir umsonst wohnen dürfen.

Doch vier Wochen zurück. Nachdem wir unseren Hotelplatz im peruanischen Nasca verlassen hatten, fuhren wir einige Tage, bis wir nach Lambaque kamen, wo wir das schönste Museum des Landes besuchten. Das war noch einmal ein echtes Highlight in dem Land. Das Gebäude ist den Pyramiden von Sipán nachempfunden und voll von Fundstücken aus der Zeit der hochentwickelten Moche-Kultur, die sich vom 1. bis zum 8. Jahrhundert an der Nordküste Perus entwickelte.

In Lambaque haben wir auch Rita und Beat wieder getroffen. Die beiden hatten wir schon in Ushuaia und später in La Paz kennen gelernt, wo wir beschlossen, durch Ecuador und Kolumbien gemeinsam zu fahren und uns dann auch zusammen um die Verschiffung zu kümmern. Von Lambaque ging es auf direktem Weg über die Grenze nach Ecuador, wo uns ein Abenteuer der anderen Art erwartete. Vorausschicken muss man, dass die Grenze erst seit kurzer Zeit für Fahrzeuge geöffnet ist und noch nicht viel genutzt wird, da die Straßen vor und nach dem Übergang noch aus holprigen Pisten bestehen. Wir nutzen sie dennoch und treffen dort auf den Hauptprotagonisten der Geschichte: Ein Mann, der nach eigenen Angaben eine Vertretung für den eigentlichen Zollbeamten auf ecuadorianischer Seite darstellt.

In Peru schnell und problemlos abgefertigt, wird der Schlagbaum geöffnet und es geht über den Grenzfluss nach Ecuador. Für uns ist die Einreise im Häuschen der Migration innerhalb von Minuten erledigt – doch dann kommt der Zoll, zuständig für das Einführen der Fahrzeuge.
Dort sitzt ein Herr an einem Computer und ist gerade dabei, ein schönes Kartenspiel mit Hilfe seiner Maus zu spielen. Dass er es mit der Tastatur nicht so hat, sollen wir schnell feststellen. Wir möchten unsere Fahrzeuge einführen, berichten wir ihm. Er scheint dieser Idee nichts abgewinnen zu können, weiß aber wohl doch, dass wir vom Gesetz her schon das Recht zu solch einer Bitte haben. Sein Gesichtsausdruck jedenfalls verzieht sich, als würden wir ihm große Qualen mit unserem Wunsch bereiten. Ich lege ihm unsere Papiere auf den Tisch und wir warten ab. Nichts passiert. Schließlich fragen wir, ob etwas nicht in Ordnung sei. Unsicher fingert der Mann in den Papieren und greift schließlich zum Telefon. Sein Gegenüber scheint kompetenter: Es wird ein Formular geöffnet und mit dem Eintragen der Fahrzeugdaten begonnen. Viele Fragen, viele Erklärungen, Ein-Finger-Tipp-System. Das Formular wird ausgedruckt. Darauf besitze ich plötzlich die Passnummer der Person, die vor uns einmal ein Fahrzeug einführte. Es wir korrigiert. Wieder ein Ausdruck. Fehlerhafte Chassis-Nummer. Wieder ein Ausdruck. Nun sind vom vielen Korrigieren die Absätze und Tabulatoren derart verrutscht, dass die Bezeichnungen nicht mehr zu den Einträgen passen. Das muss korrigiert werden. Das dauert noch länger, als das bloße Ändern einer Nummer. Wieder ein Ausdruck. Alles stimmt, scheinbar sind wir fertig.

Nun sind Rita und Beat an der Reihe. Der Mann freut sich schon, ist er doch nun routiniert im Lesen der deutschen Papiere. Rita und Beat sind Schweizer, da freut sich der Mann nicht mehr. Er fragt noch einmal nach: Wir sprächen doch die gleiche Sprache? Es hilft nichts, die beiden bleiben Schweizer und die Papiere haben andere Bezeichnungen. Außerdem: Schwyzerdütsch und Deutsch, eine Sprache? Naja ;o). Das gleiche Spielbeginnt, nur mit einem Unterschied. Dieses Mal erhält Beat viele Angaben unseres Schrankes. Etliche Korrekturen folgen. Und noch eine erfrischende Nuance kommt hinzu: Der Papierstau. Jedes Blatt wird im Falle eines Ausdruckes einzeln in den Drucker gelegt, da kann das schon mal vorkommen. Einige Male. „Uns bleibt auch nichts erspart“, stöhne ich vor dem schimmeligen Gebäude. Drinnen ist Schatten und kein Stuhl. Draußen kann man sitzen bei 40 Grad in praller Sonne. Ich warte auf einen Stromausfall um meine Aussage zu stützen, doch dieser bleibt aus. Eine Farce, höre ich jemanden sagen. Dann sind die Dokumente fertig. Nun besitzt der Computer allem Anschein nach jedoch keinen Anschluss an den Rest der Welt. Nicht mal an den Rest von Ecuador. Und so folgen zwei weitere Anrufe. Der erste nach Fertigstellung unseres Einfuhrdokumentes. Jeder Buchstabe, jede Zahl wird nun durch das Telefon an jemanden diktiert, der wohl einen Onlinezugang besitzt, um uns in das System ein zupflegen. „No, no – no P! T que Tomato!“ und Ähnliches hören wir uns lange an. Beim zweiten Anruf, als Beats Dokument mündlich online gestellt wird, hören wir den Beweis, dass diese Grenze nicht allzu häufig von Autos besucht wird. „Er habe doch schon einmal angerufen“, wird der Mensch am anderen Ende gesagt haben. „Ja, aber das war ein anderes Auto“, hören wir unseren Sachbearbeiter auf Spanisch sagen. Es wird wieder diktiert. Ach und am Ende müssen all unsere Daten noch einmal eingegeben werden. Warum? Unsere Daten wurden ja nun von denen von Beat überschrieben. Und vergessen, etwas abzuspeichern – dass kann schon mal passieren. Zwei Fahrzeuge, vier ein halb Stunden Bearbeitung. Wir sind triefnass und völlig fertig. Es war wie Folter. Der Aushilfe geht es wohl ähnlich, dem Aussehen nach zu urteilen. Er verlässt mit uns seinen kleinen Raum, die Lust auf ein weiteres Kartenspiel scheint verflogen. Er entschuldigt sich bei uns und gibt uns die Hand, dass ist in Ecuador ganz wichtig. Da ist für uns die Welt wieder in Ordnung.

Weiter geht es noch an diesem Tag nach Zumba, einer süßen Stadt, in der wir endlich einmal wieder Häuser mit Spitzdächern betrachten können. Unser Schrank parkt in dieser Nacht neben einer großen Kirche direkt vor dem Radiosender einer Mission – sicherer kann man wohl nicht stehen.
Nächster Stellplatz, einen Tag später: Vilcabamba, Hosteria Izhcayluma, geführt von einem Deutschen Paar. Dort genießen wir erst einmal eine Woche des süßen Nichtstuns und kosten die günstigen Preise Ecuadors gründlich aus. Nach Bolivien ist Ecuador bisher das günstigste Land auf unserer Reise. Das beginnt schon beim Diesel, der kostet hier 1,03 US-Dollar. Und zwar pro Gallone, das macht, ganz grob gerechnet einen Literpreis von vielleicht 22 Eurocent. Auch ansonsten sind die Preise hier sehr niedrig, für zwei oder drei Dollar kann man durchaus satt werden und das sehr lecker. In der Hosteria Izhcayluma ist die Küche spitze und so gehen wir dort fast jeden Tag essen, morgens, mittags und abends.
Nach einer Woche Faulheit und Völlerei ging es dann weiter nach Cuenca, wo wir uns von Rita und Beat verabschieden. Für die beiden geht es weiter auf die Galapagos-Inseln, acht Tage auf einer Yacht, schön! Da sind wir ein bisschen neidisch, aber ein solcher Trip ist bei uns nicht einkalkuliert. Doch es gibt auch ein „Galapagos für Arme“ und so fahren wir durch endlose Bananenplantagen weiter an den Pazifik. Puerto Lopez, von diesem Hafenstädtchen aus starten die Trips auf die „Isla de la Plata“, die mit zum Nationalpark Machalilla gehört. Wir stehen ein Dorf weiter, in Salando, in der Hosteria „Islamar“, dieses Mal unter ehemals schweizerischer Führung. Ein wunderschöner Platz auf einem Hügel mit Weitblick auf den Pazifik und den kleinen Fischerort. In den nächsten Tagen essen wir überwiegend Shrimps und Meeresfrüchte aller Art, baden im sehr warmen Pazifik und buchen unsere Tour auf die „Isla de la Plata“.

Ein schöner und kurzweiliger Tagesausflug, wirklich empfehlenswert! Um halb elf starten wir mit einem Schnellboot, das uns in rund anderthalb Stunden zur Insel bringt. Blaufußtölpel, Fregattvögel, Pelikane, Albatrosse und Maskentölpel – all diese Vögle leben auf der Insel auf der wir vielleicht zwei Stunden umherwandern. Anschließend geht es ins Wasser. Beim Schnorcheln am Riff gibt es auch eine ganze Menge zu sehen, es mangelt nicht an unterschiedlichsten bunten Fischen und sogar Wasserschildkröten kommen zu uns. Das Riff selbst ist leider in keinem guten Zustand mehr, Grund ist unter anderem der Strom El Niño, der die Wassertemperatur vor einigen Jahren ansteigen ließ, die meisten Korallen dort starben ab.
Als wir den Pazifik wieder verlassen, ist unser nächstes Ziel Quito, die Hauptstadt des Landes, in der wir uns allerdings nur kurz aufhalten. Doch es reicht für eine Besichtigung der modernen Stadt. Ein Kirchengebäude hat es uns dort besonders angetan. Toll, dass während unseres Besuchs ein großes Konzert gegeben wird, zu Ehren der fertig ausgebildeten Kadetten der Polizeischule. Aber das eigentlich überwältigende ist, dass die Kirche wirklich einmal komplett zu besichtigen ist. In der Basilica del Voto Nacional gibt es steile Leitern, Stein-, oder Marmorwege oder Holzpfade in jeden Winkel des Gotteshauses. Die Glocken und die Uhr kann man ebenso besichtigen wie die obersten Plattformen der Türme. Ein Holzpfad führt über das mächtige Hauptschiff. 35 Meter darunter wird gerade die Verabschiedung der Kadetten gefeiert. Und noch eine Besonderheit gibt es: Statt Heiligenfiguren blicken die Tiere der Galapagosinseln von den Türmen und Zinnen. Normalerweise interessieren wir uns nicht sonderlich für Gebäude dieser Art, doch die Basilica del Voto Nacional bildet da eine echte Ausnahme.

Nächstes Ziel: Die Mitte der Welt, La Mitad del Mundo! Von Quito ist das Äquatordenkmal nur rund eine Autostunde entfernt und es hat uns ziemlich endtäuscht. Es ist weniger ein Denkmal, als vielmehr ein kleines Dorf zum Ausnehmen von Touristen. Ein Shop reiht sich an den nächsten, unterbrochen von einigen Restaurants. Einige, für uns sehr uninteressante, Museumsbungalows stehen auf dem Areal. Und überall prangt die falsche Information: Hier befindet sich die Aquatorlinie, die Mitte der Welt. Eine glatte Lüge. Eine französische Expedition bestimmte 1736 die Aquatorlinie und vermaß sich. Die wirkliche Äquatorlinie befindet sich 240 Meter weiter südlich. Ein weiteres Museum hat dort aufgemacht und dieses ist wirklich einen Besuch wert! Viele Experimente beweisen, dass dort der wirkliche Mittelpunkt der Welt verläuft. Eier bleiben auf dem Kopf eines Nagels stehen. Den meisten Menschen ist es unmöglich, bei geschlossenen Augen auf der Äquatorlinie zu laufen, weil dort keine Magnetfelder existieren und daher das Innenohr als Orientierungshilfe nicht funktioniert. Man kippt einfach um. Auf der einen Seite der Linie fließt Wasser mit einem Linksstrudel, auf der anderen mit einem Rechtsstrudel ab – sehr interessant das Ganze.

Unser Besuch auf der Mitte der Welt liegt auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel an diesem Tag: der Gärtnerei von Graham. Und obgleich wir hier eigentlich nur auf unsere Schweizer Freude warten wollten, haben wir auch hier schon so einiges erlebt.
Gleich am zweiten Tag lädt uns Graham ein, ihn zu begleiten. Er überlegt, noch ein Stück Land zu kaufen und so treffen wir uns mit dem Besitzer und einem Agenten an einem Ort, rund anderthalb Stunden von Ibarra entfernt. Ein Stück Land bedeutet in diesem Fall ein Grund von rund 400 Metern mal 2,5 Kilometer – alles purer Regenwald. Mit der Machete bahnt uns der Besitzer einen Weg durch das riesige Areal, zeigt so dies und das und bringt uns schließlich an einen Ort meiner Träume. Schon lange vor Reiseantritt hatte ich von einer Stelle geträumt, unberührt von Touristen und mitten in der Natur, an der mir ein Wasserfall auf den Kopf prasselt, während ich darunter im Natursteinbecken sitze. Und da ist er! Wir können uns nicht gleich entschließen, diese Chance zu nutzen. Keine Handtücher, ein feuchter und nasser Wald um uns herum, matschiger Boden und in Begleitung dreier Männer im Verkaufsgespräch. Wir gehen schon weiter, doch es nagt in mir. Warum machen wir die Reise? Muss man hier nicht zuschlagen? Würde ich es nicht bereuen, die Chance nicht genutzt zu haben? Schließlich geben wir Bescheid, trennen uns und gehen zurück.

Auch ansonsten ist der Tag außergewöhnlich. In Grahams Pickup ist nur Platz für zwei. Naja, wir saßen auch schon zu dritt vorn, doch dann fahre ich, denn geschaltet wird zwischen den Beinen von Sina und das möchte Graham nicht. Doch auch kann ich kaum lenken, wenn wir zu dritt vorne sitzen und Sina bekommt auf die Dauer Krämpfe in den Oberschenkeln. Also sitzen entweder ich oder Sina hinten auf einer Matratze auf der Pritsche des Pickups. Hier in Südamerika, wo wir auch schon Kinder auf Autodächern mitfahren sahen, sicher nichts besonderes, aber als ordentlicher deutscher Autofahrer bringt das einen riesigen Spaß.

Ansonsten nutzen wir unsere Tage auf dem Grund von Graham um dem Schrank eine Generalreinigung zuteilwerden zu lassen, alles einmal durchzusortieren und solcher Dinge mehr. Gestern schließlich kamen auch Rita und Beat an. Noch ein oder zwei Tage werden wir bleiben, dann geht es ins schöne Kolumbien. Dort wurden gerade zwei Deutsche entführt. Doch der Slogan des Landes lautet: „Das einzige Risiko hier ist, dass sie bleiben wollen“. Wir lassen uns überraschen! Bis dahin eine schöne Zeit von uns zu zweit!

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